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Jenseits von Feuerland: Roman

Jenseits von Feuerland: Roman

Titel: Jenseits von Feuerland: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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konnte sich notfalls an den Hauswänden entlangtasten. Doch so vorsichtig er auch ging – am Ende konnte er nicht verhindern, dass er fast über ein Hindernis stolperte. Wäre er schneller darauf zugeschritten, er wäre gewiss gefallen.
    Etwas Dunkles, Schweres lag vor ihm. Er beugte sich darüber, hielt es für ein totes Tier und wollte rasch weitergehen, als er plötzlich ein Stöhnen vernahm, das irgendwie menschlich klang.
    War es ein Betrunkener?
    In der Luft hing der Geruch nach Zuckerrohrschnaps, aber dazu der metallische Geschmack nach Blut.
    Wieder erklang das Stöhnen.
    Balthasar beugte sich tiefer, tastete nach dem dunklen Leib, fühlte eine Flut glatter schwarzer Haare. Darunter lugte ein Gesichtchen hervor, und als Mondlicht darauf fiel, erkannte er, dass es nicht nur bleich, sondern mit etwas Dunklem verkrustet war.
    »Mein Gott!«
    Ein weiteres Stöhnen löste sich aus der Kehle dieses geschundenen Geschöpfes, und er glaubte auch, erstmals den Namen zu hören, den es stammelte: »Jerónimo … bitte nicht …«
    Obwohl so gequält, kam ihm die Stimme bekannt vor, und als noch mehr Mondlicht auf die Züge fiel, erkannte er, dass vor ihm die junge Frau lag, die in Emilias Herberge lebte und arbeitete.
    »Rita! Mein Gott, was ist passiert?«
    Er umfasste vorsichtig ihre Schultern, um sie aufzurichten, doch da schrie sie gepeinigt auf und begann, wild um sich zu schlagen. Offenbar hatte sie schreckliche Angst vor ihm. Er hatte keine Ahnung, was genau ihr zugestoßen war – nur, dass es etwas Schreckliches gewesen sein musste.
    »Rita, ich bin es! Balthasar Hoffmann! Ich will dir doch nur helfen.«
    Sie verstummte. Vielleicht war sie auch ohnmächtig geworden. Hilflos blickte er auf sie herab und wusste nicht, wie er sie zur Herberge schaffen sollte. Mit seinem hinkenden Bein kam er zwar gut voran, aber er war sich nicht sicher, ob er stark genug war, sie zu tragen. Er blickte in alle Richtungen, doch ausgerechnet heute war die Stadt wie ausgestorben.
    Kurz spielte er mit dem Gedanken, sie liegen zu lassen und Hilfe zu holen, doch er brachte es nicht übers Herz. Irgendwie musste er es schaffen, sie nach Hause zu bringen. Er biss sich auf die Zähne, als er sie hochstemmte und ein stechender Schmerz in sein Bein fuhr. Obwohl er nur unendlich langsam vorankam, gelang es ihm irgendwie, Schritt vor Schritt zu setzen und sie halb tragend, halb schleifend bis zur Casa Emilia zu schleppen.

    Als Arthur die Gaststube betrat, waren sämtliche Tische bereits leer. Emilia konnte sich bei seinem Anblick das Grinsen nicht verkneifen. Sie hatte keine Ahnung, wo er die letzten Tage seinen Hunger gestillt hatte – bei ihr ganz sicher nicht. Doch nun war der Durst nach einem Glas Wein scheinbar größer als Stolz und Trotz. Sein Blick war ausdruckslos, sein Mund jedoch verdrießlich verzogen.
    »Und?«, fragte Emilia keck. »Ein Krug Mistela gefällig, um die schlechte Laune wieder zu heben?«
    Sie konnte es sich nicht genau erklären, aber sie war immer noch belustigt. Seit Arthurs unfreiwilligem Bad in dem Tümpel waren mehrere Tage vergangen, in denen sie immer wieder schallend loslachen musste.
    »Du hast deinen Spaß gehabt«, knurrte er und setzte sich an einen der Tische, »können wir es einfach dabei belassen?«
    »Aber natürlich!« Sie stellte sich herausfordernd neben ihn, stützte die Arme in die Hüften und beugte sich angelegentlich über den Tisch. Vor drei Tagen hätte er nun gierig ihre Brüste beglotzt, nun versuchte er, hoheitsvoll daran vorbeizustarren. »Wir wollen dein nettes Bad im Tümpel vergessen – vorausgesetzt, du fasst mich nicht wieder an, starrst nicht auf meinen Busen und schließt keine Wetten mehr auf mich ab.«
    »Pah!«, meinte er. »Warum sollte ich? Ich beiße mir an dir gewiss nicht die Zähne aus. Es gibt schönere Frauen auf dieser Welt.«
    »Und meinetwegen kannst du sie alle haben. Nur mich nicht, denn …«
    Ihre Worte rissen ab, und das belustigte Kichern erstarb in ihrer Kehle. Polternd wurde die Tür aufgestoßen, und während nun auch Arthur erschrocken auffuhr, kam Balthasar keuchend und schweißüberströmt in die Gaststube gehinkt. Er schleppte etwas mit sich, nein, zog es vielmehr. Als er es auf den Boden sinken ließ, glaubte Emilia angesichts all des Bluts, das in die Holzdielen sickerte, es sei ein verendetes Tier. Doch dann schrie sie auf.
    Es war kein Tier … es war Rita!
    Oder nein, nicht Rita, nur das, was von ihr übrig geblieben war.
    Balthasar

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