Jenseits von Timbuktu
SchotterstraÃe im Herzen von Zululand festsaÃ. Sie stieà ein saftiges Schimpfwort aus, erinnerte sich daran, dass Jill sie genau vor einer solchen Situation gewarnt hatte, wie es auch in den entsprechenden Verhaltensregeln stand, die Nils ihr ausgedruckt hatte. Was wurde einem dort geraten? Sie fuhr sich über die Stirn. Sollte sie im verriegelten Auto sitzen bleiben, bis Hilfe kam? Oder aussteigen, sich irgendwo hinter einem Busch verstecken und den AA anrufen, das südafrikanische Ãquivalent zum ADAC?
Meine Güte, wie hochdramatisch, dachte sie und wusste, dass sie sich einfach zu blöd vorkommen würde, irgendwo hinter einen Busch zu springen. Sie spähte aus dem Fenster. Selbst den Reifen wechseln?
Auch keine verlockende Lösung.
Sie musste sich in unmittelbarer Nähe von Timbuktu befinden. Hinter der nächsten Biegung musste es liegen, da war sie sich sicher. Sie nahm ihr Handy und wählte Cordelias Nummer, merkte aber im selben Moment, dass auf dem Display kein Empfangsbalken zu sehen war. Sie saà im Funkloch. Mal wieder.
»Schâ¦!«, zischte sie und warf das Telefon wütend auf den Nebensitz. Es rutschte über das Leder und fiel auf den Boden. Nach kurzer Ãberlegung klaubte sie es wieder auf, hängte sich ihre Tasche über die Schulter, fischte kurz entschlossen den Pfefferspray heraus, stieg aus und warf die Tür zu.
Eine Welle heiÃer, wüstentrockener Luft brandete ihr entgegen, Sonnenstrahlen prickelten auf der Haut, dass sie wirklich fürchtete, Verbrennungen zu erleiden. Sie riss die Autotür noch einmal auf, holte ihren Sonnenhut und setzte ihn auf. Nach kurzem Zögern schloss sie nicht ab. Sollte sie es eilig haben, in den Wagen zu gelangen, war es so besser.
Telefon in der einen, Pfefferspray in der anderen Hand â obwohl sie das eigentlich übertrieben und ein bisschen peinlich fand â, marschierte sie die mit Geröll übersäte SandstraÃe hinunter, prüfte immer wieder das Empfangssignal ihres Handys. Aber das zuckte nicht einmal.
Nach nicht ganz hundert Metern machte die StraÃe eine Kurve, hinter der sie Cordelias Farm erwartete. Aber sie entdeckte weder den herrlichen Tulpenbaum noch Timbuktu. Am Wendehammer des Weges lag lediglich ein flaches, weià getünchtes Gebäude mit wenigen, schwer vergitterten Fenstern. Irritiert blieb Anita stehen. Sie war in eine Sackgasse geraten.
Das weiÃe Gebäude reflektierte das Licht, die Konturen flimmerten in der Hitze, der Himmel über ihr brannte. Ihre Augen begannen zu tränen. Ein paar Sekunden lang hatte sie die irrsinnige Vorstellung, dass Timbuktu und Cordelia nichts als ein Traum gewesen waren. Wunschdenken, eine Illusion. Die Beule an ihrem Kopf pochte. Mit dem Handrücken strich sie darüber. Maurice. Er war keine Illusion gewesen. Sie kniff die Augen zu Schlitzen zusammen und schaute sich um.
Irgendwo musste sie falsch abgebogen sein. So einfach war das. Aber wo? Vorsichtig näherte sie sich dem Haus, das hinter einem meterhohen Zaun, auf dem sich Rollen von Natodraht schlängelten, offenbar verlassen dalag. Ihr Blick glitt ab, flog über staubigen Busch, eine riesige, vom Wind zerfledderte Baumstrelitzie, über vertrocknetes Gras und Geröll. Langsam drehte sie sich um ihre eigene Achse. Noch mehr Busch, verwildertes Zuckerrohr, dazwischen groÃe Flächen nackter roter Erde. Ein mannshoher Termitenhügel. Die SchotterstraÃe, ihr Auto, der tiefblaue Himmel, zwei Schwalben. Sonst nichts.
Unschlüssig hielt sie ihr nutzloses Telefon in der Hand und spähte hinüber zu dem Haus, bei dem sich nichts regte. Ob es unbewohnt war? Sie schaute die StraÃe zurück, wog ab, welches das kleinere Ãbel war. Bei dem Haus ihr Glück zu versuchen,
oder zu Fuà die StraÃe entlang zurückzulaufen, bis sie entweder Empfang auf ihrem Handy hatte oder die Stelle fand, wo sie falsch abgebogen war. Oder sollte sie auf der HauptstraÃe ein Auto anhalten, um den Fahrer um Hilfe zu bitten? Das würde sie in Deutschland tun. Ebenso schnell wie ihr der Einfall kam, fielen ihr die Horrorbeschreibungen von Entführungen und Vergewaltigungen ein, die ständig in der Zeitung erschienen. Von Mord. Ihr Mund wurde trocken.
Fast hätte sie über ihre eigene Dummheit gelacht. Es blieb ihr eigentlich nichts anderes übrig, als bei dem Haus anzuklopfen, was allerdings schwierig sein würde, weil nirgendwo am
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