Jenseits von Timbuktu
Zaun eine Tür zu finden war.
»Verdammter Mist!«, schrie sie so laut sie konnte. »Mist! Mist! Mist!« Ihre Stimme steigerte sich zum Kreischen. Erschrocken hielt sie inne und lauschte mit offenem Mund, ob jemand sie gehört hatte. Aber auÃer Zikadenschrillen und gelegentlichen schläfrigen Rufen einer Taube blieb es still. Sie betrachtete den Zaun genauer und stellte mit einer gewissen Erleichterung fest, dass kein elektrisch geladener Draht auf der Krone entlanglief. Das war immerhin ein Hoffnungsschimmer. Entschlossen steckte sie den Pfefferspray und das Telefon in die Tasche ihrer Shorts und ging näher. Vorsichtig berührte sie den Zaun mit einem Finger, und als sie kein elektrischer Schlag traf, griff sie in den Maschendraht und rüttelte daran.
Das aber brachte, auÃer der Erkenntnis, dass der Draht ziemlich dick war, überhaupt nichts. Sie strich am Zaun entlang. Vielleicht gab ja es irgendwo ein Loch, durch das sie kriechen konnte. Aber vergebens. Auch wiederholtes Rufen hatte keinen Erfolg. Im Haus blieb alles ruhig. Kein Ton drang durch die geschlossenen Fenster. Es musste unbewohnt sein.
Endlich gab sie auf und ging zögernd auf der schmalen SchotterstraÃe in die Richtung ihres Autos. Dort angekommen, öffnete sie die Heckklappe, nahm eine Wasserflasche heraus und
nahm ein paar tiefe Schlucke. In Afrika konnte man nie wissen. Die Hitze flimmerte in der Luft, der Sand war hart, die StraÃe uneben und von Furchen durchzogen, nicht für Riemchensandalen gemacht, was der Grund war, weswegen sie bereits mehrfach umgeknickt war. Sie ging weiter, langsamer, und setzte ihre FüÃe vorsichtig auf. Durch die kaum belaubten Zweige der Büsche glänzte es hier und da metallisch. Offenbar lief sie noch immer am Zaun entlang.
AuÃer einem braunen Skink mit goldenen Streifen und einem arbeitslosen Pillendreher, der hastig vor ihr ins gelbe Gras rannte, begegnete sie keinem Lebewesen. Keine Kinder, die Ziegen und Kühe vor sich hertrieben, keine herumstreunenden Hunde, keine Hühner, die nach Körnern suchten. Fast war ihr das ein bisschen unheimlich, und sie beschleunigte ihre Schritte, soweit es Geröllbrocken und Regenfurchen zulieÃen. Vor ihr machte die StraÃe eine scharfe Biegung nach rechts. War sie hier falsch abgebogen? Sie ging um die Kurve.
Im spärlichen Busch war hier eine Lücke, und unmittelbar hinter einem Streifen von vertrocknetem Gras und Gestrüpp entdeckte sie Maschendraht. Sie ging näher heran. Der Zaun? Ihr Blick tastete sich weiter, traf etwa dreihundert Meter entfernt auf eine blaugraue Fläche im Grün, die sie schnell als ein Schieferdach identifizierte. Timbuktu? Aufgeregt suchte sie den Tulpenbaum, irgendeinen Anhaltspunkt, um ihre Annahme zu bestätigen.
Vergeblich. Um derartige Einzelheiten zu erkennen, war sie wohl zu weit vom Haus entfernt. Vor ihr wölbte sich das Land zu einer sanften Kuppe, helle Flecken schimmerten durch den spärlichen Bewuchs, und sie erinnerte sich an die Felsen, die auf dem flachen Hügel hinter Cordelias Haus wie weiÃe Knochen aus dem Boden zu wachsen schienen.
Jetzt war sie sich sicher. Der Zaun musste der von Cordelias Farm sein. Schon wollte sie mit neuer Energie weiterlaufen, als
sie bemerkte, dass der Maschendraht an einer Stelle kaputt und leicht hochgebogen war. Sie blieb stehen und sah sich um. Die SchotterstraÃe verlief ab jetzt offenbar in einem weiten Bogen weg vom Zaun. Abschätzend sah sie zum Haus. Durch das Loch im Zaun wäre der Weg zum Haus mit Sicherheit wesentlich kürzer als entlang der StraÃe, und sicherer. Sie zögerte nur eine Sekunde, dann ging sie entschlossen zu dem Loch im Maschendraht hinüber zu und begutachtete es.
Die Ãffnung war ziemlich klein. Sie würde vielleicht gerade so hindurchpassen, allerdings schienen die Enden des zerschnittenen Drahts ziemlich scharf zu sein. Sie rieb ihren Daumen darüber. Verdammt scharf waren sie, wie sie mit einer Grimasse feststellte, aber glücklicherweise befand sich das Loch direkt über dem Boden. Auf dem Rücken, die scharfen Spitzen immer im Blick, würde sie sich darunter hindurchwinden können.
Sie nahm den Strohhut ab und schob ihn zusammen mit ihrer Tasche hindurch. Nachdem sie vorher die Umgebung sorgfältig nach Schlangen und ähnlich unfreundlichem Getier abgesucht hatte, legte sie sich hin und stieà sich mit den FüÃen vorsichtig vorwärts.
Es
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