Jenseits von Timbuktu
gesehen noch gesprochen. »Was gibtâs? ⦠Nils?« Sie sah hinüber zu ihrem Mann. »Der kann jetzt nicht, sonst landen wir im Graben. Sagâs doch einfach mir, ich verspreche wortgetreue Ãbermittlung â¦Â«
Sie lauschte dem, was Napoleon de Villiers zu sagen hatte, dann lieà sie das Telefon mit einem verwirrten Ausdruck sinken und hielt das Mikrofon zu. »Nappy soll dir von Vilikazi sagen, dass sich niemand mehr auf Lias Farm herumtreibt. Garantiert. WeiÃt du, was er meint?«
Gott sei Dank, dachte Nils. Der Mann, den Vilikazi ausgeschickt hatte, war offenbar aufgestöbert und von der Farm beordert worden. »Ja, weià ich. Sag ihm danke, und ich melde mich später.«
Jill gab die Nachricht an Napoleon de Villiers weiter und sah ihren Mann von der Seite an. »Worum ging es hier? Das klang sehr merkwürdig. Nappy klang sehr merkwürdig. Wer hat sich auf Lias Farm herumgetrieben? Warum hat dich Vilikazi nicht selbst angerufen? Ich wusste gar nicht, dass Nappy und er so dicke sind.«
Nils biss die Zähne zusammen. Jill war hartnäckig. Sie schien Antennen zu haben, die auch noch die kleinste atmosphärische Störung auffangen konnten, und dann ruhte sie nicht, bis die Sache geklärt war. Restlos und zu ihrer Zufriedenheit. Letzteres
war das Wichtigste. Sie zu täuschen war sehr schwierig. Er versuchte es trotzdem.
»War nicht so wichtig. Es hat sich ja auch erledigt. Ich erkläre es dir später.«
»Aha«, sagte Jill und glaubte ihm kein Wort. Dazu kannte sie ihn zu gut. Aber auch sie verschob die Klärung des Vorfalls auf später. Ihre innere Spannung stieg mit jedem Meter, den sie sich Lias Farm näherten, und im Augenblick konnte sie sich auf nichts anderes konzentrieren. »Okay«, sagte sie, bemerkte aber, dass Nils einmal tief durchatmete. Nach seiner Mimik zu urteilen, musste das, was der mysteriöse Mann auf Lias Farm vorgehabt hatte, auÃerordentlich wichtig gewesen sein. Für eine Sekunde war sie drauf und dran, ihn doch ins Kreuzverhör zu nehmen, aber da traf der Wagen einen im Sand verborgenen Felsen, und sie wurde im Sitz vorwärtsgeschleudert. Der Sicherheitsgurt arretierte und presste ihr die Luft aus der Lunge.
»Bist du in Ordnung?«, fragte Nils besorgt.
Nach Atem ringend, nickte sie und lockerte den Gurt so weit, dass sie wieder durchatmen konnte. Sich am Haltegriff festklammernd, lieà sie das Fenster herunter und lehnte sich hinaus, um sich zu orientieren. Ohne dass sie es vorher wahrgenommen hatte, war das Blau des Himmels inzwischen einem unheilvollen Violettgrau gewichen. Wolkenberge mit fetten Regenbäuchen lasteten auf dem Land. Wie der Lichtstrahl eines Scheinwerfers schien hier und da ein Sonnenstrahl durch eine Wolkenlücke und lieà den Busch im giftigen Gewitterlicht aufglühen.
»Da wird eine Sintflut über uns kommen«, murmelte sie. »Alle Wege werden wieder unpassierbar sein, Telefon- und Stromleitungen zerstört. Wir müssen uns beeilen. Es wird früher dunkel werden als sonst.« Unausgesprochen blieb, dass sie vor Angst um ihre Tochter kaum noch atmen konnte.
21
W ie lange sie auf dem Boden gehockt und den beiden Kakerlaken zugesehen hatte, die irgendetwas Unwiderstehliches an einem undefinierbaren Fleck auf dem Betonboden fanden, konnte Anita nicht abschätzen. Sie hatte jedes Zeitgefühl verloren. Durch die vergitterte Ãffnung unter dem Dach wanderten in Streifen zerschnittene Sonnenstrahlen langsam über den Betonboden, lieÃen die Chitinpanzer der Kakerlaken mahagonibraun aufleuchten, krochen die Wand hoch, wurden weicher und verschwanden. Nach und nach versank die Sonne hinter den Hügeln, und das Grün der Büsche färbte sich im schwindenden Licht bläulich grau. Bald würde sie untergegangen sein. Und sie würde im Dunklen sitzen.
Ein tiefes, unterschwelliges Grollen erschütterte die Atmosphäre und lieà sie aufmerken. Aus der Ferne kam ein sanftes Rauschen heran, wurde lauter, und dann öffnete der Himmel seine Schleusen. Die Welt, soweit sie sie erkennen konnte, verschwand hinter einem silbrig grauen Regenvorhang. Im Nu stand der Hof unter Wasser, und es bildeten sich Rinnsale, die zu kleinen Bächen anwuchsen. Sie flossen unter der Brettertür hindurch und sammelten sich in einer Vertiefung zu einer groÃen Pfütze. Weil sie nichts Besseres zu tun hatte, begann sie, mit den Fingern eine
Weitere Kostenlose Bücher