Jenseits von Uedem
knurrte ihm der Magen. DM 289,73 - er schluckte, beruhigte sich damit, daß er seit sechs Wochen nicht mehr vernünftig gegessen hatte. Und in den nächsten vierzehn Tagen brauchte er wahrscheinlich kaum etwas einzukaufen, höchstens ein bißchen Brot und Milch. Aber vielleicht nahm er nächstes Mal besser doch kein Filet, und die geräucherte Gänsebrust hatte auch ganz schön reingehauen.
Er war schon an der Abzweigung zur Alten Bahn vorbei, als ihm einfiel, daß er unmöglich mit dem ganzen frischen Fleisch und dem Tiefkühlzeugs durch die Gegend gondeln konnte. Er bremste, bog rechts ab in den Fahnenkamp und fuhr an der Landesklinik vorbei nach Materborn zurück.
Was sollte er sich hetzen? Eigentlich konnte er ruhig noch die Kaffeemaschine einweihen.
Mit dem Becher in der Hand wanderte er langsam durch seine Wohnung. Doch, eigentlich wußte er ganz gut, wie sie mal aussehen sollte. Morgen würde er sich als erstes ein vernünftiges Bett kaufen, ein breites. Astrids Wohnung war gemütlich. Er könnte doch heute abend vielleicht den Lammrücken braten, schön mit Rosmarin und Rotweinsauce, und sich endlich trauen, Astrid einzuladen. Sie hatte bestimmt ein paar Tips für die Wohnung, und so schmal war seine Matratze gar nicht.
Die Düsseldorfer Detektei hatte die Unterlagen noch nicht gefaxt, erfuhr Toppe durch einen Anruf beim K 1; er mußte also mit dem wenigen, das er wußte, improvisieren. Eine seiner leichtesten Übungen.
Die Ecke um Uedem kannte er kaum. Ein paarmal war er daran vorbeigekommen, und er erinnerte sich an die beiden klotzigen Kirchtürme, die viel zu mächtig schienen für ein so kleines Städtchen.
Er bog links in den Ort ein, kam an schmucken Siedlungshäusern vorbei und rollte langsam an einem großen Parkplatz aus. Geradeaus ging es schon wieder aus der Stadt raus, rechts lugten die Kirchtürme über die Häuser. Er fuhr um ein paar Ecken auf sie zu, bremste stutzend bei dem Bestattungsunternehmer, der so ähnlich hieß wie er selbst, und freute sich über die gelungene Werbung auf dem schwarzen Schild: Überführungen , Laternen und Vasen.
Von der Seite sah das Kirchenschiff aus wie eine Turnhalle aus den Fünfzigern. Er mußte jemanden nach dem Weg fragen, aber es waren kaum Leute unterwegs. Aus einem Haus am Marktplatz kam ein älterer Mann mit einer braunen Einkaufstasche, und Toppe wunderte sich mal wieder über die Vorliebe des niederrheinischen Mannes für bajuwarische Kopfbedeckungen. Schnell kurbelte er die Scheibe runter.
»Entschuldigen Sie .«
»Da sind Sie hier ganz falsch«, gestikulierte der Mann. »Sie müssen nach Uedemerfeld hin.« Und er setzte zu einer komplizierten Wegbeschreibung an.
Toppe kurvte gute zehn Minuten herum, bis er auf der richtigen Straße war. Sie führte in die Ebene, die selbst jetzt im Februar fruchtbar und fett aussah. Weitverstreut lagen große Gehöfte, über Schwarzerlenhainen kreisten ein paar Dohlen, Elstern wischten über seinen Wagen hinweg. Es war eine Reitergegend; überall Reitwege und Hinweise auf Gestüte.
Das Schild Haus Ley hätte er beinahe übersehen, so dezent war es. Eine schmale asphaltierte Straße schlängelte sich auf das Haus zu, das zwischen gewaltigen Rotbuchen und Trauerweiden durchschimmerte. Nach einer scharfen Linkskurve führte der Weg über einen Bach und endete an einer Kiesauffahrt. Rechts ein weißes Schild mit schnörkeliger Goldschrift |. - Seniorenresidenz - wahrhaft passend: es sah aus wie ein Wasserschloß. Der Bach führte um das ganze Anwesen herum. Das Hauptgebäude war dreigeschossig, weiß mit klassisch grünen Holzläden. Rechts und links hatte man niedrig angebaut, modern, Sichtbeton und Glas, ein Wintergarten - es fügte sich zu einem edlen Bild. Zu Toppes Linken lag ein zweistöckiges Gebäude, vielleicht die frühere Scheune oder ein Stall; jetzt hingen Häkelgardinen an den Fenstern.
Toppe schloß den Wagen ab und ging auf die Freitreppe am Hauptgebäude zu. Der Kiesweg führte durch einen Park mit alten Bäumen, kleinen Sträuchergruppen und Staudenbeeten. Neben dem Wintergarten hatte man ein Kräutergärtchen angelegt, von Buchsbaum eingefaßt.
An der Doppeltür hing ein Klingelzug, und stilecht läutete eine Glocke, als Toppe daran zog.
Eine ganze Weile tat sich nichts, dann öffnete ihm eine junge Frau. Sie war höchstens zwanzig, hatte müde Augen und einen mürrischen Mund. Das orangerote Haar war so kurz geschnitten, daß es wie angefressen aussah. Irgendwie hatte sie mit einer
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