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Jenseits von Uedem

Jenseits von Uedem

Titel: Jenseits von Uedem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hiltrud Leenders , Michael Bay , Artur Leenders
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Sopran!«
    Heinrichs lachte. »Grauenhaft!«
    Er wollte den Fotostapel weiter durchblättern, aber die alte Dame schob ihm ein Bild direkt unter die Nase.
    »Und das ist mein Bruder mit seiner neuen großen Liebe.«
    »So, so.«
    Emil Wagner hielt eine große, kantige Frau fest im Arm. Der zärtliche Ausdruck in ihren Augen paßte so gar nicht zu ihrem herben Gesicht.
    »Dr. Franka Billion«, meinte Auguste. »Psychiaterin; erst ein paar Monate hier. Sie ist noch ein junger Hüpfer, gerade mal dreiundsechzig.«
    »Liebe auf den ersten Blick?« fragte Heinrichs.
    »Das kann man wohl sagen. Wie 'n Donnerschlag! Frau Holbe ist ganz schön aus dem Häuschen.« Sie zwinkerte ihm zu. »Die beiden sind nämlich noch sehr rüstig, wenn Sie wissen, was ich meine.«
    Heinrichs kicherte. »Ich dachte, das hier ist ein katholisches Haus.«
    »Na, eben. In unserem Alter tut man >es< ja sowieso nicht mehr, und dann auch noch ohne den Segen der Kirche! Ich meine, Emil würde ja sofort heiraten, aber Franka denkt gar nicht dran. Die läßt sich den Käs' nicht nehmen.«
    Vor lauter Begeisterung überschlug sich ihre Stimme. »Gestern hat die Holbe beide zu sich zitiert und ihnen was erzählt von Anstand und Sitte und an die Gesundheit denken. Wissen Sie, was Franka da gemacht hat?«
    »Nee, was denn?« fragte Heinrichs gespannt.
    »Beim Abendbrot ... gestern war ja Freitag, da ißt Frau Holbe immer mit uns. Mittendrin steht Franka auf, geht um den Tisch rum zu Emil und küßt ihn. Aber richtig!«
    Heinrichs schlug sich auf die Schenkel, aber Auguste Beykirch griff energisch nach seiner Hand.
    »Das war doch noch gar nicht alles! Dann meint sie - und ich kann Ihnen sagen, die hat vielleicht eine Stimme - sagt sie: >Ich halt's nicht mehr aus, Liebling. Gehen wir in dein Zimmer oder in meins?< - Ich dachte, die Holbe beißt ins Tischtuch.«
    »Und dann?«
    »Dann sind die zwei rausstolziert. Ich hab' mich bloß gewundert, daß Emil nicht rot geworden ist.«
    »Langweilig ist es hier wohl nicht.«
    »Nie! Irgendwas ist immer los. Im Moment seid ihr ja die Sensation. Aber auch sonst, die Leute sind schon ganz spannend.« Sie kniff ihm verschwörerisch ein Auge.
    »Da kommt gerade ein Prachtexemplar«, flüsterte sie, schnappte sich fix ein Bündel Fotos und war auf einmal sehr beschäftigt.
    Ein großer, knochiger Mann kam herein. Er hatte ein kantiges Gesicht mit breiten Wangenknochen, eine Hakennase und kleine schwarze Augen. Herrisch hatte er das Kinn vorgeschoben. An seinem Arm hing, wie ein Fremdkörper, eine verschrumpelte Frau, bei der Heinrichs sofort an Zitronen dachte.
    Der Mann steuerte direkt auf ihn zu, den Blick fest auf Heinrichs' Bauch gerichtet. Als er vor ihm stehenblieb, nahm er die Füße zusammen. »Köster, mein Name, Hans Herrmann Köster. Sie sind von der Kriminalpolizei.« Es war eine Feststellung.
    »Höchste Zeit«, fiepste die Frau, »höchste Zeit, daß endlich die Polizei kommt.«
    Der Mann sah angewidert auf sie herunter und schüttelte sie ab. Dann packte er sie bei den Oberarmen, schob sie vor sich her wie eine Gliederpuppe und verfrachtete sie mit drei, vier gezielten Handgriffen in einen Sessel am Ende des Raumes.
    »Und jetzt hälst du den Mund«, schnarrte er.
    Die Frau zog die Unterlippe zwischen die Zähne und fing an, darauf herumzukauen; ihr Blick flitzte hin und her.
    Köster zog einen Stuhl neben Heinrichs und setzte sich aufrecht.
    »Es wird immer schlimmer mit meiner Frau«, sagte er, aber es klang nicht entschuldigend. »Diese Verwirrtheitszustände, schrecklich! Dr. Grootens kriegt es nicht mehr in den Griff. Jetzt hat sie irgendwo etwas von diesen österreichischen Krankenschwestern mit der aktiven Sterbehilfe aufgeschnappt. Seitdem leidet sie an akutem Verfolgungswahn. Es ist unerträglich. So habe ich mir meinen Lebensabend wahrhaftig nicht vorgestellt!«
    Heinrichs sah wieder zu der Frau hinüber, die jetzt eine Schachtel Plätzchen auf dem Schoß hatte. Man konnte sehen, daß es all ihre Konzentration kostete, die Kekse aus dem Paket zu nehmen und zum Mund zu führen.
    »Sie stopft sich schon wieder voll«, stöhnte Köster.
    »Irgendwann muß sie ja mal essen«, pfiff ihn Auguste an.
    »Bei den Mahlzeiten rührt sie nämlich nichts mehr an«, erklärte sie Heinrichs. »Sie guckt die ganze Zeit, ob einer von uns vom Stuhl kippt. Aber irgendwann hat sie diese Giftgeschichte bestimmt auch wieder vergessen.«
    Damit rutschte sie auf dem Stuhl nach vorn, bis ihre Füße den Boden

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