Jenseits von Uedem
aber keinen Kaffee an. Sie waren beide um die Fünfzig, wirkten ungepflegt und mitgenommen. Die Frau sah aus, als ob sie seit Jahren trank. Beide sprachen in einem stumpfen Jammerton. Das Elend mit ihrer Tochter, ihrem einzigen Kind; zwei Therapien, beide ohne Erfolg. Jetzt sei sie schon seit Monaten verschwunden, in Amsterdam wohl, wenn sie überhaupt noch lebte. Vor Jahren da hätten sie noch Hoffnung gehabt, deshalb hätten sie te Laak eingeschaltet, da wären sie ja auch noch flüssig gewesen.
»Woher wußten Sie, daß Dr. Grootens illegal Drogen verteilt hat?« fragte Toppe.
»Von unserer Tochter«, antwortete der Mann. »Aber dat hätten wir wissen müssen. Die lügen doch alle wie gedruckt.«
»Sie meinen, Ihre Tochter hat sich das aus den Fingern gesogen? Warum sollte sie das tun?«
»Wat weiß ich«, brummte der Mann.
»Dat hat doch der Detektiv rausgekriegt«, rief die Frau. »Un' dann haben wir Dr. Grootens ja auch selbs' kennengelernt. Ein feiner Mensch, hat uns sehr geholfen.«
»Geholfen?« fragte van Appeldorn gedehnt. »Inwiefern?«
»Immer Zeit für uns«, sagte der Mann. »Hat gemeint, et könnte doch noch wat werden mit Renate.«
»Sie wollen mir also erzählen, daß das die einzige Hilfe war, die Grootens Ihnen hat zukommen lassen?« schnaubte van Appeldorn.
»Wat meinen Sie bloß?« fragte die Frau leidvoll.
»Ich glaube Ihnen kein Wort«, schnauzte van Appeldorn sie an.
»In te Laaks Unterlagen haben wir den Hinweis gefunden, daß Dr. Grootens Ihnen Geld gegeben hat, damit Sie den Mund halten«, erklärte Toppe.
»Geld?« riefen die beiden einstimmig. »Wat denn für 'n Geld?«
»Wovon haben Sie die Therapien bezahlt?« schoß van Appeldorn.
»Irgendwie zusammengekratzt«, antwortete die Frau. »Und von der Kasse natürlich.«
»Ich hab' dat Auto verkauft«, sagte der Mann.
Es ging noch eine ganze Weile hin und her, aber die beiden blieben dabei, daß te Laaks Ermittlungen nur gezeigt hätten, was für ein verlogenes Stück ihre Tochter sei. Einen Detektiv hätten sie beauftragt, weil die Sache nicht an die große Glocke sollte. »Wir machen hier schon genuch mit, dat können Sie glauben.«
»Ich muß mir erst mal irgendwo die Hände waschen«, meinte Toppe, als sie wieder im Auto saßen und auf dem Rückweg waren.
Van Appeldorn überquerte die Kreuzung am Gocher Ring bei Dunkelgelb. »Grootens und Braun bleiben auf jeden Fall auf der Verdächtigenliste«, knurrte er. »Und wenn die Jungs von der Drogenfahndung sich unter den Junks umtun, dann wollen wir doch mal sehen!«
»Reg dich doch nicht auf«, lachte Toppe. »Auf Grootens bin ich gespannt. Den hab' ich sowieso für morgen auf meiner Liste der Leute, die te Laak im Haus Ley getroffen haben könnte.«
Astrid hantierte an der Kaffeemaschine, als sie hereinkamen, ließ aber sofort alles stehen und liegen und lief zum Schreibtisch.
»Schöningh hat gestanden!«
»Wie das?« fragte van Appeldorn, ehrlich überrascht.
Sie hielt ihm Berns' Bericht hin. Auf den Schuhen hatte er Spuren von Pferdeblut gefunden, nur nachlässig abgewischt. An einem Pullover und an einer Jeans, die Schöningh noch nicht einmal gewaschen hatte, gab es erhebliche Mengen von Spritzblut; der Einfallswinkel kam genau hin.
»Mich würde ja interessieren, was er dazu gesagt hat«, feixte van Appeldorn.
»Können Sie sich gerne anhören, ist alles auf Band.«
»Dann lassen Sie mal laufen.«
Toppe sah ungeduldig auf die Uhr. »Tut mir leid, aber ich muß leider dringend weg.«
Astrid sah ihn nicht an.
»Ich melde mich später noch bei dir, ja?« sagte er trotzdem und ging.
21
Am Sonntag nachmittag ließen fast alle den lieben Gott einer guten Mann sein. Nur Ackermann saß über den Akten, die er im Haus Ley beschlagnahmt hatte, und arbeitete sie, unterstützt vom leisen Gedudel aus seinem alten Kofferradio und mehreren Flaschen Bier, bis weit nach Mitternacht durch. Der Schachclub ›Springer Kranenburg‹ mußte heute leider auf seinen Spitzenspieler verzichten.
Heinrichs hatte seiner Frau das Frühstück ans Bett serviert, ihr skeptisches »Willst du sie wirklich alle vier mitnehmen?« mit einem gelassenen Grinsen quittiert, seine Kinder ins Auto gepackt und war fröhlich mit ihnen zum Nibelungenbad nach Xanten gefahren. In der Umkleidekabine kamen ihm erst Zweifel, ob er dem Unterfangen gewachsen war. Seine Sprößlinge kloppten sich erst kreischend um die Handtücher, dann fahndeten sie fünf Minuten lang nach Martins linkem Schuh, der
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