Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jenseits

Jenseits

Titel: Jenseits Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meg Cabot
Vom Netzwerk:
durchdrungen,
    Sprach: »Meister, welch Geschrei, das sich erhebt?
    Wer ist doch hier von Qualen so bezwungen?«
    Dante Alighieri, Göttliche Komödie , Dritter Gesang
    D as Mädchen, das neben mir in der Aula saß, sah gerade die Kommentare auf ihrer Facebook-Seite durch. Ich sah, wie sie kurz zusammenzuckte und dann ihr Handy abschaltete. Sie murmelte etwas auf Spanisch und lehnte sich zurück. Meine Spanischkenntnisse sind meinen Noten nach zwar unterdurchschnittlich, aber die Schimpfwörter kenne ich alle.
    »An meiner alten Schule«, sagte ich, obwohl sie vorher nicht mit mir gesprochen hatte, »haben sie geschrieben, ich hätte ’nen Stock im Hintern.«
    Meine Sitznachbarin schaute mich entgeistert an, als würde sie mich zum ersten Mal richtig wahrnehmen. Ihre ausdrucksstarken dunklen Augen hatte sie erstaunlich professionell mit Kajal und Wimperntusche geschminkt und dann noch kleine Silbersternchen in die Augenwinkel geklebt. Mir fiel ein, dass es an der IHHS auch Schminkkurse gab. Vielleicht hatte sie sich ja für einen eingeschrieben.
    »Wo?«, fragte sie verwirrt.
    »Im Internet.« Ich deutete auf ihr Handy. »An meiner alten Schule. ›Schlampe‹ haben sie mich auch genannt.« Die anderen, noch viel schlimmeren Ausdrücke, mit denen ich betitelt wurde nach dem Vorfall mit Mr. Mueller, erwähnte ich lieber nicht.
    Sie runzelte die Stirn, und ich war nicht sicher, ob das ein gutes oder ein schlechtes Zeichen war.
    »Tatsächlich?«, meinte sie. »Zu mir sagen sie auch Schlampe. Wegen denen hier.« Sie deutete auf ihre Brüste. Es war kaum zu übersehen, wie riesig sie waren. Außerdem war die Knopfleiste ihres schwarzen Baumwollhemds mit Rüschen verziert, was den Anblick nicht gerade entschärfte.
    »Manche Leute sind eben einfach bescheuert«, erwiderte ich, und mein Blick wanderte ganz unbeabsichtigt zu den beiden Mädchen mit den geglätteten Haaren, die immer noch bei der Treppe standen, die hinauf zur Bühne führte. Sie starrten in meine Richtung … aber in ihrem Blick lag keine Verachtung mehr. Sondern Staunen.
    Eine der beiden sah, dass ich in ihre Richtung schaute, hob lächelnd die Hand und wedelte mit ihren weiß lackierten Fingernägeln in der Luft. Sie winkte. Und zwar mir .
    Einen Moment lang wusste ich nicht, warum. Dann sah ich, wie der Typ mit dem weißen Polohemd sich von den beiden entfernte, und alles war klar.
    »Bescheuerte gibt es hier auf jeden Fall auch mehr als genug«, kommentierte meine Sitznachbarin sarkastisch. »Sag mal, bist du nicht in meinem Wirtschaftskurs?«
    »Ja. Ich heiße Pierce.« Meinen Nachnamen ließ ich vorsichtshalber weg. Ich hatte das Gefühl, dass das die Neuigkeit war, die die beiden Mädels drüben bei der Bühne gerade erfahren hatten, was wiederum der Grund für ihren plötzlichen Gesinnungswandel meine Person betreffend gewesen sein dürfte.
    »Isla Huesos ist eine recht kleine Insel«, hatte Mom mich gewarnt. »Und die Leute hier sind wahrscheinlich etwas weniger, nun ja, intellektuell, als du es von Westport gewohnt bist. Wenn manche dich mögen, dann vielleicht nur, weil sie wissen, wer dein Dad ist. Oder auch genau das Gegenteil, wenn ich drüber nachdenke. Je nachdem. Sei einfach ein bisschen vorsichtig.«
    »Kayla Rivera«, sagte meine Nachbarin und zeigte auf sich. »Und du bist Alex Cabreros Cousine.«
    Das war keine Frage, sondern eine Feststellung. Also hatte Alex ihr entweder von mir erzählt, oder Kayla hatte meinen Namen irgendwo anders schon mal gehört. Hatten Tim oder Jade den anderen Kids im Neue-Wege-Programm vielleicht eingeschärft, sie sollten ja nett zu mir sein? Das war noch die schmeichelhafteste Erklärung, die mir einfiel. Wie herzergreifend. Wenn es tatsächlich stimmte.
    Aber zumindest schien sie nicht zu wissen, wer mein Vater war. Ich hoffte inständig, dass ich, wenn ich mein Handy wieder hatte, nicht gleich alle möglichen Kommentare über mich im Netz finden würde. Ich hatte keine Facebook- oder Twitter-Seite. Auch keinen Blog. Es gab schon genug Leute, die mir im echten Leben nachstellten. Aber vielleicht, dachte ich, jetzt ja nicht mehr.
    »Ja«, erwiderte ich. »Hör mal, kann ich dich was fragen?«
    »Du meinst die ? Die sind echt«, antwortete Kayla und deutete wieder auf ihre Brüste. »Die Versicherung meiner Mom bezahlt Brustverkleinerungen sogar, und ich werd’s machen lassen, sobald ich achtzehn bin. Aber nicht aus kosmetischen Gründen. Ist mir egal, was die anderen mich alles nennen. Ich hab’s einfach

Weitere Kostenlose Bücher