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Jenseits

Jenseits

Titel: Jenseits Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meg Cabot
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sind, die tatsächlich dort war –, ist John nicht der Wächter der Unterwelt. Ich glaube nicht einmal, dass es so etwas wie nur eine einzige Unterwelt überhaupt geben kann. Das wäre dann doch ein bisschen zu viel der Ehre für unsere kleine Insel, und außerdem dürfte es seit den Tagen Homers auch eine gewisse Bevölkerungsexplosion in jenen Gefilden gegeben haben, meinen Sie nicht?«
    Ich starrte ihn an. »Ich habe keine Ahnung, was Sie meinen.« Außer dass John nicht Hades war. Wahrscheinlich sollte ich erleichtert sein. »Wer ist Homer?«
    Er seufzte, als würde er sich fragen, womit er ein so begriffsstutziges Gegenüber verdient hatte, wandte sich wieder seinem Buch über Totengötter zu und zeigte mir eine Seite mit lauter bunten Illustrationen. Die verschiedenen Abbildungen hatten alle ein und dasselbe Thema: Die Hölle. Furchtbar. Für Mr. Smith allerdings waren es wohl eher Vergnügungsparks.
    »Sehen Sie«, sagte er, während er sich offensichtlich um Geduld bemühte, »es ist eigentlich ganz einfach. Jede Kultur und jede Religion hat ihre eigene Mythologie, ihre eigene Unterwelt, welche die Seelen der frisch Verstorbenen passieren müssen, bevor sie ins Nachleben eingehen können. Das gilt für die alten Griechen und Azteken genauso wie für Muslime und Christen. Es könnte Dutzende oder sogar Hunderte von Unterwelten geben. Sie sind so eine Art … Aufbereitungsanlage für die Seelen der Toten, der Ort, an dem die Spreu vom Weizen getrennt wird, bevor die Geister weiterreisen, ihrem endgültigen Schicksal entgegen. Und unser kleiner Friedhof hier liegt zufällig genau über einer davon. Ihr Großvater, der von diesem Thema ebenso sehr fasziniert war wie ich, hat mit mir gemeinsam intensive Studien darüber ange …«
    »Mein Großvater kannte John? Haben Sie nicht gesagt, Sie hätten nur Boccia mit ihm gespielt?«, unterbrach ich ihn erschüttert.
    Mr. Smith schien sich ertappt zu fühlen. »Ach, Sie meinen, was ich heute an der Schule sagte? Nun ja, das war so etwas wie eine kleine Notlüge. Aber Ihr Großvater hat John nie kennengelernt, auch wenn er selbstverständlich von seiner Existenz wusste. Der Mann, der vor mir Friedhofsaufseher war …« An dieser Stelle räusperte er sich. »Nun, sagen wir einfach, sein Wissen über die Unterwelt war etwas begrenzt. Sie können sich gar nicht vorstellen, wie schwer es manchen Menschen fällt, daran zu glauben, dass es da einen jungen Mann geben könnte, der sowohl in irdischen als auch astralen Gefilden wandeln kann und dies auch schon seit eineinhalb Jahrhunderten ausgiebig tut …«
    Ich konnte mir nur zu gut vorstellen, wie schwer das manchen Menschen fallen mochte. Meinem Dad, beispielsweise. Was auch der Grund war, warum ich ihm gegenüber John nie erwähnt hatte.
    »Mein Großvater«, sagte ich, um Mr. Smith wieder zurück zum Thema zu bringen.
    »Ah, ja. Nun, wie ich bereits sagte, damals bekamen wir John nicht oft zu Gesicht, und ich erhielt erst die Gelegenheit, ihn kennenzulernen, als ich dieses Amt übernahm, doch da war Ihr armer Großvater leider bereits verstorben. Und was das Boccia spielen angeht: Ihr Großvater wollte nicht, dass seine Frau von seiner Mitgliedschaft in unserem kleinen, äh, Studierzirkel erfährt. Wie ich ebenfalls bereits sagte, finden manche Menschen die Beschäftigung mit Totengottheiten und Unterwelten etwas … morbide. Und Ihre Großmutter gehört zu diesen Menschen. Womit ich nicht sagen will, dass sie nicht eine reizende Person wäre«, fügte er hastig hinzu, »und eine Bereicherung für die ganze Gemeinde. Mein Freund strickt leidenschaftlich gern, und er kauft all seine Wolle ausschließlich in ihrem Laden. Sie ist eben etwas konservativ, und die Tatsache, dass ihr Ehemann sich mit derart … esoterischen Dingen beschäftigte, hätte sie wahrscheinlich weitaus weniger bereitwillig akzeptiert als eine Mitgliedschaft in einem Boccia-Team.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Irgendwie seltsam.«
    »Was ist daran seltsam?«, fragte der Küster und schaute mich über den Rand seiner Brille hinweg an.
    Ich wollte schon sagen: »Weil sie diejenige war, die mir John vorgestellt hat«, aber das stimmte nicht, wie ich mich erinnerte. An jenem Tag in ihrer Küche hatte sie immerhin felsenfest behauptet, ich hätte mir das Ganze nur ausgedacht.
    Dieser Ort ist nichts für dich .
    Unterwelten. Totengötter. Furien. John hatte nicht übertrieben. Dieser Friedhof war für niemanden etwas. Nie und nimmer hätte Oma mich aus dem

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