Jerry Cotton - 0505 - Flirt mit dem Verderben
mir«, dröhnte seine stadtbekannte Stimme. »Brauchen Sie meine Männer?«
Ein hartes »Nein« brachte ich nicht über die Lippen. »Die Hauptsache haben wir bereits erledigt.«
»Gratuliere!« sagte er. »Was kann ich sonst noch für dich tun?«
Ich überlegte einen Moment. Phil half mir dabei. Er machte eine Kopfbewegung in Richtung auf die Mauer, über die wir gekommen waren.
»Eine Razzia bei ,Blackeye‘ könnte nichts schaden, wenn Sie mit Ihren Leuten schon hier sind. Einige Gäste haben uns vorhin mit ziemlich neckischen Spielen auf gehalten.«
Von meiner Bauchlandung auf dem Tisch erzählte ich nichts, um den Bewohnern der umliegenden Häuser die Lärmbelästigung durch Hywoods dröhnendes Gelächter zu ersparen.
»Ich wollte schon lange mal wieder unseren Freund .Schwarzauge’ besuchen«, akzeptierte er meinen Vorschlag. Sofort gab er die entsprechenden Befehle. Seine Leute machten sich unter Leitung von Lieutenant Peterson auf den Weg.
Hywood blieb noch bei uns. »Sollen wir den Festgenommenen mit zu uns nehmen oder zu Ihnen transportieren?« fragte er.
»Nichts von beiden Möglichkeiten«, enttäuschte ich ihn erneut. »Wir nehmen ihn selbst mit.«
»Im Jaguar?« wunderte er sich. »Und warum?«
»Weil wir hoffen, daß er sich bei dieser Gelegenheit wie ein anständiger Mensch vorstellt«, feixte Phil. »Wir wissen nämlich nicht, wer er überhaupt ist.«
Hywood machte ein Gesicht wie ein Medizinstudent, der versehentlich in ein Examen für Atomphysiker geraten ist.
***
Tim Sharkey ging noch einmal durch die drei Räume des Apartments und blickte sich suchend um. Er grunzte zufrieden. Die Wohnung machte einen durchaus braven Eindruck. Sie glich weder einem Gangsterhome noch einer Erpresserzentrale.
Im mittleren Zimmer saß Billy Fatinger mit Paul Lesley und Anthony Carter. Sie pokerten und machten Gesichter wie Boxer, die auf einen Job warteten.
Sharkey musterte den bescheidenen Rest seiner'Gang nachdenklich.
»He, ihr drei!« brummte er. »Draußen ist es zwar kühl, aber die Sonne scheint. Ein kleiner Spaziergang wird euch nicht schaden.«
»Keine Lust«, brummte Carter und nahm sich ein neues Blatt.
Mit einem Schlag fegte Sharkey dem Pokerspieler die Karten aus der Hand. »Ich denke, daß du verdammt Lust hast, mit Billy und Paul einen Spaziergang zu machen. In einer Stunde könnt ihr hier wieder antanzen. Aber wenn ich Spaziergang sage, meine ich das auch. Macht einen großen Bogen um jede Kneipe!«
»Ist ja schon gut«, brummte Carter.
Fatinger verzichtete auf jede Stellungnahme. Er hatte von der Geschichte mit Clinch noch genug Respekt vor dem Boß. So stand er wortlos auf und holte sich seinen Hut vom Haken. Carter und Lesley folgten ihm. Sekundeh später schlug die Tür hinter den Gangstern zu.
Tim Sharkey war allein.
Er ging in das Zimmer, das ihm als Schlafzimmer, Befehlszentrale und — nach außen hin — als Office diente. Gedankenschwer ließ er sich in einen Ledersessel fallen. Er schenkte sich ein Glas Whisky randvoll. Bedächtig setzte er es an den Mund und ließ die goldene Flüssigkeit ganz langsam, aber in einem Zug in sich hineinlaufen.
Als er das Glas wieder absetzte, stand sein einsamer Entschluß fest.
Er stand auf und ging quer durch das Zimmer. Trotz des an diesem Vormittag schon reichlichen Whiskygenusses wankte er nicht. Der Gangsterboß nahm sich den Telefonapparat, zog die Schnur aus der Buchse und trug das Gerät zu seinem Sessel. Er stellte die Verbindung wieder her.
Noch einmal schloß Sharkey die Augen, als wolle er nochmals überlegen. Es dauerte nur wenige Sekunden.
Entschlossen steckte Tim Sharkey seine Finger in die Wählscheibe. Die Nummer wußte er auswendig.
»Yeah?« klang es ihm von der anderen Seite fragend entgegen.
»Ich möchte Alfredo Alvarez sprechen«, bellte Sharkey in den Apparat. »Wer spricht?« klang es zurück.
»Tim Sharkey.«
»Moment.«
Sekundenlang war die Leitung tot. Sharkey wußte, daß es die letzten Sekunden waren, in denen er frei entscheiden konnte. Doch er behielt den Hörer am Ohr und wartete.
Dann zuckte er doch wie unter einem elektrischen Schlag zusammen.
»Generaldirektor Alvarez!« klang es ihm entgegen.
»Hallo, Alfredo!« sagte Sharkey und lächelte über die Bezeichnung »Generaldirektor«, obwohl sie Alvarez’ Einfluß nach durchaus stimmte. Der schöne Alfredo war immerhin Herrscher über ein weitverzweigtes Gangstersyndikat. »Was ist los, Sharkey?«
»Ich habe mir dein Angebot
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