Jerry Cotton - 0505 - Flirt mit dem Verderben
seine Dankesschuld und stotterte sie mit kleinen Hinweisen ab. Heute wollten wir von ihm etwas über LSD-Händler erfahren.
Doch damit war es jetzt vorbei.
Nach der lauten Begrüßung durch den Wirt mit der schwarzen Augenbinde war es einen Moment völlig still in der verräucherten Kneipe. Dann klirrte ein Glas zu Boden.
Bevor wir begriffen, was los war, sprang ein Mann von der Theke in den nur sehr spärlich erleuchteten Hintergrund des Lokals.
Wie auf ein geheimes Kommando setzten wir beide ihm nach.
Doch es war zu spät.
In solchen Kneipen ist es immer dasselbe. Selbst finstere Gestalten, die sich Sekunden vorher noch erbittert gestritten oder gar gegenseitig verprügelt haben, halten wie Pech und Schwefel zusammen, wenn die Polizei auftaucht. Oder gar das FBI.
Phil erwischte es zuerst. Er stolperte über ein ausgestrecktes Bein und schlug in seiner ganzen Länge auf den schmutzigen Boden.
»Sorry, Sir!« sagte eine schleimige Stimme.
Im gleichen Augenblick flog mir ein Stuhl zwischen die Beine. Ich stolperte und landete auf einem Tisch. Blitzschnell war ich wieder hoch.
»Der Stuhl ist noch frei, G-man!« sagte ein unrasierter Seemann spöttisch.
»Danke«, konterte ich, »aber wir müssen erst mal ’raus.«
Phil schüttelte ein paar Gestalten ab, die so taten, als wollten sie ihm auf die Beine helfen.
Wir standen vor einer Mauer von Männern. Es sah aus wie eine Gruppenaufnahme von Sing-Sing.
»Behindert nicht die Gentlemen«, mahnte der Wirt, »sie sind vermutlich dienstlich hier!«
Das ohnehin spärliche Licht ging aus. Irgend jemand im Hintergrund des Lokals hatte den Schalter betätigt.
Wertvolle Sekunden waren schon vergangen, zumal wir nicht mit einem solchen Zwischenfall gerechnet hatten.
Schließlich waren wir ganz friedlich hereingekommen, um vielleicht mit Chuck Hoover einen Whisky zu trinken.
Mir reichte es jetzt. Mit einem schnellen Griff faßte ich den Arm irgendeines Mannes in der Mauer vor mir. Ich riß ihn herum. Der Mann heulte wütend auf. Dann flog er gegen seinen Nebenmann. In der Menschenmauer war eine Bresche. Ich sprang hinein. Phil folgte mir.
Irgendwo barst klirrend eine Scheibe. Das Geräusch zeigte uns den richtigen Weg. Der Mann, der bei unserer Ankunft so schnell seinen Platz an der Theke verlassen hatte, war durch die Tür verschwunden, durch die eigentlich nur Damen und solche, die es sein wollen, verschwinden sollen.
Ich stieß die Tür auf.
Vor einem halbblinden Spiegel stand ein grell geschminktes Mädchen, das gerade versuchte, die Frisur in Ordnung zu bringen. Sie drehte sich nicht einmal um, als wir das Kabinett zweckentfremdeten. »Ihr Idioten könnt wohl nicht lesen?« fragte sie nur. Dann toupierte sie weiter.
Das Fenster zum Hof stand weit auf. Die große Milchglasscheibe eines Flügels war zerbrochen; die Scherben lagen auf dem schmutzigen Steinfußboden.
Ich schwang mich hinaus in den dunklen Hof. Phil folgte mir. »Du links, ich rechts!« rief ich ihm über die Schulter zu.
Nach rechts führte eine enge, dunkle Durchfahrt in den zweiten Hof. Ich lief hindurch und blieb dann vor einer Mauer stehen. Irgendwo im Haus plärrte ein Schlagersternchen aus einem Lautsprecher. Jedes andere Geräusch wurde davon übertönt. Die Bewohner dieses Hauses mußten Gemütsmenschen sein, daß sie sich das gefallen ließen.
Ich war in diesem Augenblick ebenfalls ein Gemütsmensch, weil ich mir sekundenlang die Musik anhörte und dabei — unbewußt natürlich — alles andere außer acht ließ.
Plötzlich hörte ich von seitlich über mir ein dumpfes Geräusch. Ich fuhr herum. Im gleichen Augenblick bemerkte ich einen dunklen Schatten. Instinktiv duckte ich mich. Der Schatten sauste an mir vorbei und schlug krachend auf den Zementboden des Hofes auf. Es war ein Backstein.
Backsteine pflegen nicht von selbst durch die Gegend zu fliegen. Also mußte ihn jemand geworfen haben. Das wiederum zeugte einesteils für schlechtes Benehmen des Unbekannten, andererseits aber auch dafür, daß er wohl keine andere Waffe bei sich hatte. Ich konnte nur hoffen, daß er an seinem erhöhten Standort nicht noch mehr von diesen Backsteinen hatte.
Mit einem Sprung ging ich die Hofmauer an. Ich konnte die Mauerkrone fassen und zog mich hoch.
Jetzt sah ich meinen Gegner. Es war ein schmächtiger Mann, der auf dem Dach eines Schuppens stand und sich an die Mauer des Nebenhauses drückte.
»Hau ab!« sagte er, als ich mich auf der schmalen Mauerkrone aufgerichtet hatte.
Seine
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