Jerry Cotton - 0506 - Der Toeter und die grosse Angst
viel stärker nach Alkohol als vorher.
Bobby lachte. »Schäfchen. Glaubst du im Ernst, ich ginge mit Komplimenten hausieren? Das liegt mir gar nicht. Außerdem habe ich das nicht nötig.«
»Du bist ziemlich eingebildet, Bobby.« Er lachte abermals, weich und selbstsicher. Der sanfte Druck seiner Hand nahm zu. Plötzlich küßte er sie. Es war ein zärtlicher Kuß. Liz war froh, daß Bobby in der Dunkelheit ihr Gesicht nicht sehen konnte. Sie war richtig rot dabei geworden. Auf einmal erlahmte ihr Trotz. Bobby war doch ein netter Kerl. Und trotz seiner Jugend war er wohl schon ein richtiger Mann.
»Ich möchte nach Hause«, sagte sie und richtete sich auf. »Hier gefällt es mir nicht.«
»Stören dich die anderen?« fragte er und ließ Liz los. »Ich kenne ein stilleres Plätzchen.«
Sie fuhren los. Etwa zehn Minuten später bog Bobby auf einen schmalen Feldweg ein. Er fuhr nicht sehr schnell, weil er auf die tiefen Furchen und Löcher achten mußte. In einem Hohlweg machte er plötzlich halt. »Hier sind wir ganz allein und ungestört, Liebling.« Liz fand, daß seine Stimme auf einmal verändert klang, merkwürdig heiser und belegt. Liz bereute, mit ihm in diese einsame Gegend gefahren zu sein.
Das Wageninnere bedrückte sie, und Bobbys Nähe empfand sie plötzlich als etwas Unerträgliches. Er schraubte schon wieder am Verschluß der Taschenflasche herum.
Liz öffnete den Wagenschlag. »Ich muß frische Luft schnappen!« rief sie und stieg aus. Sie hörte, wie Bobby ihr folgte, und kletterte die Böschung des Hohlweges hinauf, um festzustellen, ob irgendwo Lichter zu sehen waren. Ihre Augen hatten sich schnell an die Dunkelheit gewöhnt. Der Hohlweg wurde von einem Wäldchen eingefaßt.
Bobby dehnte und streckte sich neben ihr. »Ah, ist das eine Luft«, sagte er. Er ging einige Schritte in das Wäldchen hinein. Liz verspürte auf einmal Furcht. Sie wollte hier nicht allein Zurückbleiben. »Bobby!« rief sie.
Bobby stieß einen seltsamen Laut aus. Er tauchte wieder vor ihr auf. Sein Atem ging rasch und keuchend. »Warte hier!« rief er aus und raste zum Wagen hinunter. Liz hörte, wie er im Handschuhfach herumkramte. Sekunden später stand er wieder neben ihr. Er hatte eine Taschenlampe in der Hand. »Es ist besser, du setzt dich in den Wagen, Liz.« Liz spürte, daß etwas geschehen war, irgend etwas Schreckliches. Bobby war völlig verändert. »In dem Wäldchen liegt ein Mann«, sagte er. »Ich glaube, er ist tot.«
Liz wußte nicht mehr, wie sie in den Wagen gekommen war. Sie zitterte am ganzen Leibe. Bobby folgte ihr eine Minute später nach. Er nahm einen Schluck aus der Flasche. »Wir müssen sofort den Sheriff des nächsten Ortes benachrichtigen«, sagte er, nachdem er einen tüchtigen Schluck getrunken hatte.
»Was… was ist das für ein Toter?« fragte Liz ängstlich.
»Er ist erschossen worden.«
Liz riß die Augen auf. »Mord?«
»Ein richtiger Mord«, nickte Bobby grimmig. »So, wie er in Büchern, Filmen und im Fernsehen vorkommt… und im richtigen Leben!«
Er setzte den Wagen zurück, bis er wenden konnte. Liz atmete auf, als sie den Highway erreicht hatten. »Lieber Himmel«, sagte sie plötzlich, weil ihr einfiel, was sie jetzt erwartete. Natürlich würde der Sheriff wissen wollen, was sie auf dem einsamen Feldweg mit Bobby getrieben hatte. Vielleicht würde sogar ihr Name in die Zeitung kommen! Ganz bestimmt aber würden ihre Eltern erfahren, daß sie den Abend mit Bobby Hunter verbracht hatte.
Sie sagte Bobby, was sie bewegte. Er begriff sofort. »Es ist besser, wir verständigen den Sheriff telefonisch, ohne unseren Namen zu nennen«, meinte er. »Oder soll ich einfach darauf verzichten? Niemand weiß, daß wir dort draußen einen Toten gesehen haben.«
Liz kämpfte mit sich. »Nein«, sagte sie. »Die Polizei muß informiert werden.«
Zehn Minuten später hielten sie vor einem Straßenrestaurant. Die Telefonzelle befand sich auf dem Korridor, der zu den Toiletten führte. Bobby schwitzte, als er den Sheriff an der Strippe hatte. Mit ein paar knappen Sätzen beschrieb er, was er gesehen hatte. »Ich kann Ihnen meinen Namen nicht nennen«, schloß er. »Ich würde sonst die Dame kompromittieren, die sich in meiner Begleitung befindet.«
Dann legte er rasch auf.
***
Nachts klingelte das Telefon. Ich hatte mich gerade geduscht und sauste mit dem Frottiertuch ins Wohnzimmer. Mr. High war am Apparat. Es war nicht seine Art, mich nachts mit Anrufen zu traktieren.
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