Jerry Cotton - 0521 - Ich bluffte John den Racheboss
sollen uns nicht anmelden. Ich möchte nur wissen, welche Zimmernummer er hat.«
Der Mann schluckte, räusperte sich und nannte die Nummer. Ich klappte mein Etui zu und ließ es in der Manteltasche verschwinden. »Keine Anmeldung«, wiederholte ich halblaut und lächelte ihn dabei so freundlich an, daß seine Nasenspitze blaß wurde.
Wir fuhren hinauf. Auf unser Klopfen hin hörten wir Morellas kräftige Stimme: »Ja, zum Teufel, was ist denn jetzt schon wieder?«
Ich zog die Tür auf und trat lüber die Schwelle. Wir hatten die Mantelkragen hochgeschlagen und die Hände in den Manteltaschen. Ein paar Sekunden standen wir reglos nebeneinander und musterten das luxuriöse Apartment. Von der Tagesmiete mußte ein gewöhnlicher G-man seine ganze Familie eine Woche lang ernähren.
Morella stand in Hemdsärmeln vor einer Art Anrichte und hantierte mit Eiswürfeln. Das blonde Mädchen, das wir schon heute früh auf dem Flugplatz gesehen hatten, lag lässig hingestreckt auf der üppigen Couch. Sie sah uns mit unverhohlener Neugierde an.
»Was wollt ihr denn schon wieder?« bellte Morella.
»Entschuldigen Sie die Störung Madam«, sagte ich, zu dem Mädchen gewandt, und tippte an die Hutkrempe. »Wir haben ein paar Fragen, Morella.«
»Für euch immer noch Mr. Morella!«
»Aber gern, Mr. Morella«, sagte ich. Den »Mister« sprach ich so aus, daß Morella vor Wut rot anlief. »Wie lange gedenken Sie in New York zu bleiben?«
»Was geht euch das an?«
»Wir fragen ja nur.«
»Und ich gebe keine Antwort. Ich kann bleiben, wo es mir paßt und so lange es mir paßt. Schert euch zum Teufel!«
»Können Sie uns seine Adresse geben?« fragte ich kühl.
Er holte tief Luft, besann sich im letzten Augenblick und klappte den schon geöffneten Mund wieder zu.
»Ihr Hemd ist nicht sehr gut gearbeitet«, sagte Phil.
Morella blickte an seinem makellosen Hemd hinunter.
»Wieso?« erkundigte er sich verdattert.
»Rings um die linke Achselhöhle zieht es so seltsame Falten«, sagte Phil.
Es war offensichtlich, daß Morella dort eine Schulterhalfter getragen hatte. Anderseits war er auf Bewährung aus dem Zuchthaus entlassen, und das bedeutete, daß er keine Waffe führen durfte, wenn seine Bewährung nicht hinfällig werden sollte. Natürlich wußte er das nur zu gut.
»Kümmern Sie sich um Ihren verdammten Kram!« bellte er wütend.
»Nur noch einen kleinen Rat, Mr. Morella«, kündigte ich an. »Bleiben Sie hübsch friedlich. Oder Sie werden nicht lange in New York sein. Wie Sie sehen, behalten wir Sie ein wenig im Auge. Guten Abend, Madam.«
Wir machten auf dem Absatz kehrt und verließen den verdutzten früheren Gangsterboß. Daß er mit unseren Besuchen nichts anfangen konnte, war klar. Aber genau das war unsere Absicht. Wir wollten ihn unsicher machen.
***
Ich hatte Ärger mit dem Starter der Dienstlimousine, die wir für diese Tour aus der Fahrbereitschaft geholt hatten. Der Motor Wollte nicht anspringen. Ich fluchte, probierte es sechsmal, dann endlich kam er.
»Jaguar bleibt Jaguar«, sagte ich.
»Und Kälte bleibt Kälte«, meinte Phil grinsend. »Ich erinnere mich, daß der liebe Jaguar heute früh auch erst beim achten oder neunten Male angesprungen ist.«
»Ja?« fragte ich und grinste nun ebenfalls.
»Ja!« bestätigte Phil mit Nachdruck.
Wir krochen mit dem einsetzenden Berufsverkehr der Rush Hour dahin. Die Straßen waren von langen Autoschlangen verstopft. Nach Rissotkins’ Aussage wohnte sein Komplice bei dem Mordversuch an Ann Logan in einem Studentenwohnheim des College, von dem Rissotkins wegen wiederholter Aufsässigkeit verwiesen worden war. Unter normalen Umständen hätten wir die Strecke dorthin in zehn Minuten bewältigen können, während der Rush Hour brauchten wir fünfundzwanzig.
Das Wohnheim war ein dreistöckiger moderner Bau, der mitten in den ausgedehnten Grünanlagen des College-Geländes aus der großen Schar der meist einstöckigen Bauten hervorragte. Wir betraten die kleine Vorhalle und fragten uns schon, wie wir (iullows Zimmer finden sollten, als wir zum Glück eine Tafel mit dem Bewohnerverzeichnis entdeckten.
Stephen Cullow war in der Rubrik der zweiten Etage aufgeführt. Wir stiegen die Treppe hinauf, nachdem wir uns die Zimmernummer eingeprägt hatten. Das Gebäude schien uns nach der klirrenden Kälte von draußen überheizt. Ich knöpfte den Mantel auf.
Aus Cullows Zimmer drang Radiomusik. Ich klopfte. Wenig später ging die Tür auf. Ein junger Mann von ungefähr
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