Jerry Cotton - 0523 - Ich war das As der Unterwelt
keine solchen Fragen. Vielleicht finde ich Sie sympathisch. Vielleicht will ich Vater vor einer Dummheit bewahren. Er ist, glaube ich, ziemlich wütend auf Sie. Vielleicht liegt es auch daran, daß Sie mir auf meine Frage eine ehrliche Antwort gegeben haben.«
In der Ferne jaulte eine Polizeisirene los.
»Schnell«, sagte sie nervös. »Verstecken Sie sich im Kofferraum. Ich bringe Sie durch die Sperre. Mein Wagen wurde eben durchsucht. Man wird das kein zweites Mal tun. Worauf warten Sie noch?«
»Wo fahren Sie hin?«
»Nur bis hinter die Sperre. Dann können Sie selbst weiterkommen.«
»Okay«, sagte ich, »ich weiß nicht, wie ich Ihnen danken soll!«
»Mir brauchen Sie nicht zu danken. Was ich tue, liegt in meinem eigenen Interesse«, sagte sie kühl. »Ich will nicht, daß Vater Ihnen etwas tut. Es ist seinetwegen, verstehen Sie?«
»Ich glaube, ja«, murmelte ich und kletterte in den Kofferraum. Der Deckel klappte über mir zu.
Ich hörte, wie sie eilig einstieg, dann brüllte der Motor auf, und mit einem Ruck fuhr der Wagen an.
Sie mußte ein ganz schönes Tempo fahren. Nach etwa zehn Minuten bremste sie hart und hielt an. Das mußte die Polizeisperre sein.
Ich hörte Schritte und dann Stimmen, ohne daß ich Einzelheiten unterscheiden konnte. Autotüren klappten. Dann wurde der Motor wieder gestartet, und der Wagen fuhr wieder an.
Diesmal fuhr sie wesentlich langsamer. Eintönig brummte der Wagen dahin. Die Minuten vergingen. Meine Lage in dem engen Kofferraum war reichlich unbequem. Ich brachte meinen linken Arm vor das Gesicht und warf einen Blick auf das Leuchtzifferblatt meiner Uhr.
Schon eine halbe Stunde dauerte die Fahrt. Allmählich konnte sie Schluß machen. Meine Beine waren bereits wie abgestorben.
Kurze Zeit später verlangsamte der Wagen das Tempo. Er holperte über eine Schwelle, und dann knirschte Kies unter den Reifen. Gleich darauf blieb er stehen.
Die Tür klappte. Schritte näherten sich. Dann kratzte ein Schlüssel im Schloß.
Der Deckel federte hoch, und bei dem plötzlich einfallenden Licht kniff ich geblendet die Augen zusammen.
Aber deutlich sah ich die Gesichter der Männer, die einen unerbittlichen Halbkreis bildeten, und konnte nicht verhindern,-, daß mein Puls schneller ging.
Da war Tony Paladino, hart und zynisch. Da war Ariba-Joe, das Gesicht eine einzige tödliche Maske. Da waren die Killer Al und Slim, flach, ausdruckslos und bar jeglicher Skrupel.
Nancy war nicht zu sehen.
Paladino sagte mit sanfter Stimme: »Hallo, Mr. van Dyk, Sie haben wohl nicht erwartet, uns zu sehen. Hoffentlich sind Sie nicht zu sehr enttäuscht. Nancy hat ein gutes Herz. Aber sie hat eine Kleinigkeit übersehen. Ihr Vater hat einen wachen Verstand.«
Ich atmete tief durch.
Die Würfel waren gefallen.
***
Das Weitere ging mit der Präzision einer gut geölten Maschine vor sich. Die Männer zwangen mich auszusteigen. Sie ließen mir nicht den Schatten einer Chance. Es waren Profis, das zeigte jede Bewegung. Profis im Verbrechen.
Sie zwangen mich, ins Haus zu gehen. Paladinos Gesicht zeigte ein Grinsen, das mir nicht gefiel. Ich hatte ihn als einen Sadisten eingeschätzt, und die kommenden Ereignisse sollten diese Annahme in einer grausigen Weise bestätigen.
»Schafft ihn in den Keller«, sagte der Gangster. Über eine Treppe ging es nach unten, und dann befanden wir uns in einem großen fensterlosen Raum. Jemand schaltete das Licht ein — blendend weißes Neonlicht. Es gab den Blick auf einen Stuhl frei, der vor einer großen, vollkommen leeren Tischplatte stand. Die Platte wies lediglich zwei dicht nebeneinander liegende Löcher auf.
Der Stuhl war aus Metall urtd fest mit dem Boden verankert. Er wies Vorrichtungen auf, um jemanden daran zu fesseln, und zwar stählerne Klammern, ähnlich denen, die beim Elektrischen Stuhl benutzt werden. Sie befanden sich an den beiden Stuhlbeinen und an der rechten Armstütze. Die .linke Armlehne wies sie seltsamerweise nicht auf.
Über der Tischplatte, an der Wand, war eine große, seltsam gebaute Uhr. Sie zeigte ein Zifferblatt, das nur einen Minutenzeiger hatte und von eins bis sechzig unterteilt war. Darunter, mit ihr verbunden, war ein großes Rad, auf dem ein Seil aufgespult war. Am Ende des Seils befand sich eine Handschelle von derselben Art, wie sie am Stuhl angebracht war.
»Setzen Sie sich«, sagte Paladino.
Es blieb mir nichts übrig, als der Aufforderung zu folgen.
»Zieht ihm die Jacke aus«, sagte Paladino.
Die Gangster
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