Jerry Cotton - 0524 - Sie starb in meinem Jaguar
wissen wollen, was sie gestern gesagt haben.«
»Ich hielt es für meine Pflicht, Sie zu warnen. Als ich Mr. Gravdale verließ, war er so schlecht gelaunt, daß Sie mit einer Menge Ärger rechnen müssen.« Sie tat die Warnung mit einem Achselzucken ab. »Sie wohnen also wieder im Hotel?«
»Zimmer 13. Damit ich weiß, welchem Umstand ich mein Pech verdanke, wenn ich der nächsten Dynamitladung nicht ausweichen kann.«
»Warum reisen Sie eigentlich nicht ab, Mr. Cotton?«
»Sehr einfach! Ich habe in Dukewarn noch einige Aufträge zu erledigen.« Ich blickte auf die Armbanduhr. »Wann öffnen die Geschäfte in der Stadt?«
»Nach Lust und Laune ihrer Besitzer! Eines schon um acht Uhr.«
»Dann werde ich mein Glück versuchen.« Ich lud sie nicht ein, mit mir Kaffee zu trinken. So hinreißend sie auch aussah, ich hielt es doch für richtiger, sie mit Vorsicht zu behandeln. Ihre Beziehungen zu Gravdale waren zu eng, um sie ohne weiteres als Verbündete zu akzeptieren. Möglich, daß sie auf der anderen Seite stand.
Wir verabschiedeten uns vor dem Hoteleingang. Ich fuhr mit dem Jaguar in die Stadt, wenn man Dukewarn als Stadt bezeichnen will. Ich schätze es auf knapp fünftausend Einwohner.
Saltairs Samen-, Futter- und Vogelhandlung entdeckte ich am Ende der Hauptstraße. Ich fuhr den Jaguar um die nächste Ecke und ging zurück. Als ich die Ladentür öffnete, schrillte mir das Flöten, Schilpen, Zwitschern und Kreischen von hundert und mehr Vögeln ohrenbetäubend entgegen. Zwischen den Käfigen hantierte ein magerer Mann von etwa sechzig Jahren. Der graue Kittel reichte ihm bis auf die Schuhe. Auf der spitzen Nase balancierte er eine Nickelbrille. Er sah wie eine Figur aus einem Märchen aus, aber die blauen Augen verrieten mit ihrem durchdringenden Blick eine wache Intelligenz.
»Sie wünschen?« fragte er.
Ich blickte hilflos in das bunte Gewirr der herumhüpfenden, auf und nieder flatternden Kanarienvögel, Spottdrosseln und Stieglitze. »Ich hoffte, den Gesang eines bestimmten Vogels bei Ihnen identifizieren zu können, aber es scheint mir aussichtslos.«
»Stuben- oder Freiluftvogel?« erkundigte er sich sachlich.
»Keine Ahnung!«
»Können Sie den Vogelruf nachahmen?«
Ich spitzte gehorsam die Lippen, aber bevor ich den ersten Ton herausbrachte, gab ich es auf. »Zwecklos! Ich treffe doch nicht die richtigen-Töne.«
»Vielleicht kann Ihnen Bernard Füllet helfen.«
»Wer ist das?«
»Einer meiner Kunden. Vogelkunde ist sein Hobby. Er weiß mehr darüber als ich.«
»Wo finde ich ihn?«
»Er besitzt ein hübsches Anwesen auf dem Wege nach Derrynan. Sie können es nicht verfehlen, wenn Sie in nördlicher Richtung die Küstenstraße nehmen.«
Das Anwesen war nicht nur hübsch. Es war großzügig. Ein langgestrecktes weißes Gebäude stand inmitten einer großen parkähnlichen Gartenanlage. Eine Privatstraße führte vom Küstenhighway bis vor den Gartenzaun. Als ich aus dem Jaguar stieg, schoß aus der Tiefe des Gartens eine riesige weißschwarze Dogge hervor, geiferte am Zaun hoch und bellte mich an. Das Gebell lockte einen schmächtigen weißhaarigen Mann aus dem Haus. Er trug ein buntes Freizeithemd und eine Kordhose. Er pfiff gellend. Die Dogge gab auf, warf sich herum und raste in Tigersprüngen zu dem Mann. Er faßte den Hund am Halsband.
»Guten Tag. Sind Sie Mr. Follet?«
»Bin ich!« Sein Alter war schwer zu schätzen. Er kniff die Augen zusammen wie ein Mann, der gewöhnt ist, viel in die Sonne zu blicken. Seine Gesichtsfarbe war gebräunt, das Haar noch voll.
»Ich hörte, daß Sie ein Spezialist auf dem Gebiet der Vogelkunde sind.«
Er zeigte sich wenig erfreut. Immerhin öffnete er das Gartentor. »Kommen Sie herein!«
Er hielt die Dogge kurz. Als wir das Haus erreicht hatten, schickte er den Hund in den Garten.
Follet führte mich in einen Wohnraum. Als er die Tür öffnete, scholl mir das Geflöte eines Vogels entgegen. Ich folgte Follet in das Zimmer, aber der Vogel unterbrach sein Gezwitscher nicht. Ich sah mich um. In diesem Zimmer gab es keinen Vogel. Das Gezwitscher drang aus dem Lautsprecher eines Tonbandgerätes.
***
Hall Gravdale kam aus dem Badezimmer, als Barbara die Wohnung betrat. Er schoß auf das Mädchen zu, faßte es an den Handgelenken und schleuderte es in den nächsten Sessel. Barbara schrie auf. »Warum tust du mir weh, Hall?«
»Warum hast du diesen Kerl in meine Wohnung gelassen?«
»Ich dachte, er wäre vielleicht… dein Mann!«
»Zum Teufel,
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