Jerry Cotton - 0526 - Zwei Schluessel fuer die Hoelle
neuere Kontoauszüge der Ermordeten. Nach den Unterlagen besaß sie ein Bankguthaben von siebentausend Dollar — nicht zuviel und nicht zuwenig, finde ich. Genau die Summe, die man bei einem Girl dieses Berufs als Notgroschen voraussetzt.«
»Wie steht es mit Briefen?« fragte ich. »Gibt es irgendwelche Hinweise, daß sie mit Ricon befreundet war?«
»In der Wohnung ist nichts dergleichen«, antwortete Harvey. »Es gibt auch keine Fotos von Freunden oder Verehrern. Ich hoffe, daß die Vernehmungen des Hausmeisters, der Nachbarn und der Theaterkollegen mehr ergeben werden.«
»Haben Sie sich in Hedy Simpsons Garage umgesehen?«
»Selbstverständlich — wir haben auch den Keller untersucht. Nicht einmal der Mülleimer wurde verschont.«
»Danke, Lieutenant«, sagte ich. »Wollen Sie sich die Wohnung noch einmal ansehen, oder kann ich das Apartment versiegeln?«
»Ich möchte mich doch noch einmal umschauen. Wie steht es übrigens mit Fingerabdrücken?«
»Davon haben wir ein paar Dutzend. Sie erhalten Bescheid, sobald die Auswertung Resultate ergeben hat. Der Schlüssel ist beim Hausmeister.«
Ich legte auf. Meine Laune hatte sich nicht gebessert. Ich bezweifelte, daß uns die Prints weiterbringen würden. Der Mörder hatte sicherlich keine Fingerabdrücke hinterlassen, und die anderen waren für uns ohne Wert.
Irgendwo mußte der Schlüssel zu den Heartfield-Millionen liegen — und zwar in Hedy Simpsons Apartment! Oder hatte sie ein besseres Versteck gewählt? Die Garderobe des Theaters zum Beispiel, oder ein Wochenendhaus? Es gab, wie ich wußte, zehntausend Möglichkeiten, aber ich kam nicht davon los, daß Hedy Simpsons Wohnung des Rätsels Lösung barg.
Ich verließ das Office und brummte mit meinem Jaguar zur 5th Avenue. Ich hatte einige Mühe, einen Parkplatz zu finden, und betrat das Apartmenthaus schließlich gegen dreiundzwanzig Uhr zwanzig. Der Hausmeister, ein Mr. Rigolo, machte einen völlig erschöpften Eindruck. »Gerade ist der letzte Reporter weggegangen«, sagte er. »Mann, haben mich diese Burschen durch die Mangel gedreht! Erst wurde ich von dem Lieutenant ausgequetscht, und dann legten die Pressefritzen los — ganz zu schweigen von den aufgeregten Hausbewohnern, die sich zwischendurch meldeten und das ganze Treiben noch verrückter machten.«
»Was wollten denn die Hausbewohner?«
»Ihre Neugierde stillen, ist doch klar!«
Ich ließ mir den Schlüssel zu Hedy Simpsons Apartment geben und fuhr mit dem Lift nach oben. Vor Hedy Simpsons Tür stand eine Gruppe aufgeregter Leute, die sich über den Mord unterhielten und respektvoll zur Seite traten, als ich ihnen meine ID-Card präsentierte.
»Hat jemand von Ihnen die Ermordete besonders gut gekannt?« fragte ich.
Die Hausbewohner verneinten. Ich betrat die Wohnung und drückte die Tür hinter mir ins Schloß. Erst dann machte ich Licht.
Im Badezimmer verriet eine Kreidezeichnung, wo Hedy Simpson gelegen hatte. An der Tür, vor allem an den Klinken, zeigten dunkle Pulverspuren, daß hier die Printexperten an der Arbeit gewesen waren. Ich schaute mich genau um. Ich sah die eingetrocknete Zahncreme an der Zahnbürste und einen schwachen Lippenstiftrest am Zahnputzglas — ich sah Hunderte jener kleinen, intimen Hinweise, daß hier noch bis vor wenigen Stunden eine Frau zu Hause gewesen war. Ich stellte mich vor den Spiegel und blickte hinein. Ja, Hedy Simpson mußte ihren Mörder gesehen haben. Da gab es keinen Zweifel. Sie hatte ihre Lippen nachgezogen und beobachtet, wie sich hinter ihr die Tür bewegt und geöffnet hatte.
Mein Herzschlag stockte. Litt ich an Halluzinationen? Ich sah, wie sich hinter mir die Tür öffnete.
Ich drehte mich nicht um.
Ich starrte in den Spiegel, so, wie Hedy Simpson vor ihrem Tod hineingesehen hatte.
Jetzt schwang die Tür ganz herum. Aus der Diele trat ein Mann auf die Schwelle.
Ich sah das gleiche Gesicht, das auch Hedy Simpson Sekunden vor ihrem Tod gesehen haben mußte.
Ich sah den Mann, den ich suchte — den Vierzigjährigen mit dem Brooklyn-Akzent, der Mann, den Lieutenant Harvey und ich für Hedy Simpsons Mörder hielten.
***
Ich zuckte herum.
Der Mann hielt eine Pistole in der Hand. Sein Finger lag am Abzug. Er hatte den Druckpunkt bereits erreicht.
»Ich würde Ihnen nicht raten, die Kanone zum Bellen zu bringen«, sagte ich. »Vor der Tür stehen eine Menge Leute. Der Knall würde Aufregung verursachen.«
Der Mann grinste matt. Er hatte sich in der Zwischenzeit umgezogen und trug
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