Jerry Cotton - 0527 - Der Killer mit dem Dekollete
Unglücklicher hatte die Rotationsraaschine angehalten. Schließlich konnte ›Picture‹ nur die Meldung der Polizeipressestelle über die Entführung Olga Molloys und zweier Morde bringen!« Wieder sprang er aus seinem Sessel auf. »Haben Sie gesehen, was die Konkurrenz über den Mord in der 125. gebracht hat? Ein Foto des Erschossenen! Und wir? Nicht mehr als eine offizielle Polizeimitteilung. Alles wegen Miß Morteen und ihrer Unzuverlässigkeit.«
»Wo wohnt Jane Morteen?«
»Keine Ahnung! Fragen Sie die Personalabteilung !«
Bis zu diesem Augenblick kannte ich nicht einmal die Wohnung meiner »Verlobten«. Ein Clerk der Personalabteilung nannte mir die Adresse. Jane besaß ein Apartment in der Nähe der Columbia Universität.
In einem Fall von Kidnapping ist ein FBI-Beamter berechtigt, eine Wohnung nötigenfalls mit Gewalt zu betreten. Ich öffnete die Tür. Es genügten fünf Minuten, und ich wußte ziemlich genau, was sich in der vergangenen Nacht ab-, gespielt hatte. Janes Mantel lag auf einem Sessel im Wohnzimmer. Sie war nach dem Telefongespräch mit dem Redakteur ins Badezimmer gegangen, dessen Hälfte sie als Dunkelkammer eingerichtet hatte. Ich fand ihre offene Kamera und den längst verdorbenen Film in einer Entwicklerbox. Sie war dann vermutlich von einem Läuten an der Tür gestört worden, denn die nächste und letzte Szene hatte sich offensichtlich in der Diele abgespielt. Ein kleiner Tisch war umgestürzt, an der linken Wand hatte die Tapete einen langen Riß.
Der Anrufer hatte nicht geblufft. Jane war in seiner Gewalt.
Zehn Minuten vor zwölf betrat ich den Drugstore an der Ecke 19. Straße und 10. Avenue. Eine Gruppe Teenager belagerte die Theke und vertilgte kichernd Berge von Eiscreme. Ich suchte mir einen Tisch in Türnähe und ließ mir einen Espresso bringen.
Bis viertel nach zwölf geschah nichts. Dann sah ich, daß der Keeper einen Anruf entgegennahm, sich suchend umblickte und mir winkte. Ich ging zur Theke.
»Erwarten Sie den Anruf einer Miß Morteen?« fragte er.
Ich nickte.
Er hielt mir den Hörer hin. »Für Sie, Mister!«
Ich preßte den Hörer ans Ohr, vernahm nur unverständliches Stimmengewirr und schrie: »Hallo!« Die Girls fanden mich komisch und lachten immer lauter.
Plötzlich hörte ich Jane. »Hallo, Jerry! Sind Sie das?« Ihre Stimme klang nicht Wie die eines Girls, das sich in einer schwierigen Lage befindet, »Okay, ich bin es!'«
Die Wut trieb ihre Stimmlage eine ganze Oktave nach oben. »Die Kerle bestehen darauf, daß ich Ihnen sage, was mit mir geschah. Diese Gangster haben mich gekidnappt. Ich bitte Sie um einen Gefallen, Jerry! Holen Sie zwei Dutzend G-men und räuchern Sie diese verdammte Bande…«
Sie brachte den Satz nicht zu Ende. Der Hörer wurde ihr offenbar aus der Hand gerissen.
Eine Männerstimme sagte etwas im Befehlston, ohne daß ich die Worte verstehen konnte. Dann sprach der Mann in das Telefon. »Verdammt katzig! An deiner Stelle würde ich mir die Heirat mit der Süßen gründlich überlegen.«
»Wenn ihr dem Mädchen auch nur eine Schramme beibringt, werdet ihr teuer dafür zahlen müssen«, knurrte ich.
»Du verkennst die Lage! Ich sitze am Drücker. Mich kann man nicht bluffen und nicht einschüchtern. Mein nächster Befehl lautet: Laß dein schönes Polizeiauto stehen, wo es steht. Nimm ein Taxi und fahr zum Südeingang des Crocheron-Parks. Vor der Einfahrt steht eine Telefonzelle. Bau dich davor auf und warte auf meinen Anruf. Denke daran: Probierst du einen Trick, stirbt dein Schatz!«
Er legte auf. Ich gab dem Keeper den Hörer zurück, zahlte meinen Espresso und verließ den Drugstore. Ich winkte ein Taxi herbei und ließ mich nach Queens bringen.
Crocheron-Park ist eine kleine Grünanlage in der Nähe von Little Neck Bay. Die Telefonzelle fand ich vor dem Eingang zum Park. Ich erkannte, warum Janes Entführer diese Zelle gewählt hatte. Sie stand so isoliert, daß sie vom Bell-Boulevard und vom Cross Island Highway mühelos beobachtet werden konnte. Ich war ziemlich sicher, daß ich mich bereits im Blickfeld der Gangster befand.
Ich mußte zehn Minuten warten, bis der Apparat in der Zelle schrillte. Ich ging hinein und nahm den Hörer ab. »Geh zum Bay-Ufer und marschiere in Richtung Douglaston.«
Der Anrufer wartete keine Antwort ab, sondern trennte sofort wieder die Verbindung. Ich machte mich auf die Strümpfe. Durch eine Highway-Untertunnelung erreichte ich die Grünanlagen am Bay-Ufer.
Sie ließen sich verdammt
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