Jerry Cotton - 0533 - Die teuflische Blondine
sein, weil niemand gesehen wurde, dann sagen Sie wieder, die Stimme kam von der Galerie und folglich…«
»Und folglich müssen dort oben noch lange nicht ein Dutzend Gangster gewesen sein«, sagte Phil. »Es war nur ein einziger Mann dort oben. Und ein einzelner hatte vielleicht eine Chance, ungesehen hinauf- und wieder herunterzukommen.«
In diesem Augenblick fiel bei mir der Groschen. Ich machte leise kehrt und ging hinaus. Die Diskussion darüber, wie der Überfall nun eigentlich abgelaufen war, konnte auch ein paar Minuten ohne mich stattfinden. Ich wollte etwas nachprüfen, was mir dank Phils unbestechlicher Logik gerade aufgefallen war.
***
Es war vier Uhr sechzehn, als der Mercury von der Tankstelle wieder heraus auf die Autobahn kam. Sarah Conroy ließ ihm Vorsprung, damit sie nicht seine Aufmerksamkeit erregte. Noch wußte sie nicht, welcher Sache sie da auf die Spur gekommen war. Es war von einem Mann mit viel Geld die Rede gewesen, und droben in der Bronx war ein Mann in einem Kittel und mit einer schweren Tasche in den Mercury gestiegen. Ein Mann, der gerade aus einer Bank herausgekommen war. Vielleicht war es ein Mann, der Lohngelder für eine Fabrik abgeholt hatte, dachte sie. Aber was auch immer er sein mochte, wenn man einen Wagen stehlen mußte, um diesen Mann abzuholen, dann konnte die Sache nicht astrein sein.
Eine halbe Stunde lang folgte sie dem gelben Mercury in dem zunehmend dichter werdenden Verkehr, bis sie sah, daß er auf die George-Washington-Brücke zusteuerte. Es ging hinüber nach Jersey City. Sarah bemerkte es mit einer gewissen Enttäuschung. Wegen eines gestohlenen Wagens, so mußte sie sich sagen, wird niemand eine Fahndung einleiten, die auf das Gebiet eines anderen Bundesstaates übergreift. Wenigstens nicht in den ersten vierundzwanzig Stunden. In New Jersey kann ich kaum noch damit rechnen, daß der Mercury von einer Streife entdeckt und gestoppt wird. Also stehe ich hier ziemlich allein da. Sarah überlegte. Wenn wirklich, wie sie annahm, ein Verbrechen stattgefunden hatte, riskierte sie unter Umständen ihr Leben, sobald die Gangster entdeckten, daß sie ihnen auf den Fersen war. Wenn sie aber irgendwo anhielt, um die Polizei von Jersey City anzurufen, verschwand inzwischen der verfolgte Mercury. Und was konnte sie der Polizei schon bieten? Bruchstücke eines belauschten Telefongespräches, einen mysteriösen Mann im Kittel und mit einer schweren Tasche, und schließlich die Tatsache, daß ein Wagen gestohlen worden war, was sie mit eigenen Augen beobachtet hatte. Doch für die Polizei war ein gestohlener Wagen eine langweilige Alltagsangelegenheit, die sich hier täglich einige hundert Male zutrug.
Es half nichts. Sie mußte dem Mercury auf den Fersen bleiben, bis sie selbst herausgefunden hatte, was eigentlich gespielt wurde.
Als sie die Brücke über den Hudson passiert hatten, ging es auf fünf. Der Verkehr wurde von Minute zu Minute stärker. Als sie die ersten Straßen von Jersey City erreicht hatten, krochen endlose Autokolonnen schon quälend langsam dahin. In dreißig Minuten kamen sie nur wenige Meilen voran. Es war schon nach fünf, als der gelbe Mercury von einer der Hauptdurchgangsstraßen ausscherte und in weniger belebte Seitenstraßen auswich. Sarah folgte und mußte den Abstand verringern, um nicht Gefahr zu laufen, daß sie an einer der vielen Kreuzungen vom seitlich einfließenden Verkehr so lange aufgehalten wurde, bis der Mercury irgendwo vor ihr verschwunden war.
Endlich hielt der verfolgte Wagen an. Sarah trat sofort in die Bremse und hielt ebenfalls. Die Entfernung bis zu dem Mercury betrug von ihr aus etwa vierzig bis fünfzig Yard. Sarah zog die Handbremse und beobachtete.
Der Orang-Utan, der sie in der kleinen Kneipe in Manhattan belästigt hatte, stieg aus. Sie befanden sich in einer mit Alleebäumen gesäumten Vorortstraße, in der hübsche Einfamilienhäuser in kleinen Gärten lagen. Der Affenmann, wie Sarah ihn inzwischen für sich getauft hatte, ging auf eine Garage zu, die an einem der Häuser angebaut war. Er rangierte einen Sedan heraus, fuhr den Mercury in die Garage hinein und schloß das Tor.
Natürlich, dachte Sarah. Einen gestohlenen Wagen läßt man am besten nicht vor der Haustür stehen.
Sie stieg aus. An der Lenksäule des Sedan mußte die Zulassungskarte kleben. Und wenn sie Glück hatte, konnte sie durch das Fenster den Namen des Besitzers lesen. Sie nahm ihre Handtasche und ging im Schatten der Alleebäume den
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