Jerry Cotton - 0533 - Die teuflische Blondine
breitschultrigen Gestalt verschwand die zierliche brünette Sekretärin des Bankdirektors. Sie schien ein Talent dafür zu besitzen, immer in der Nähe zu sein und doch nie aufzufallen. Außerdem waren da noch zwei Abteilungsleiter, die sich offenbar überflüssig vorkamen, sich aber auch nicht ohne ausdrückliche Aufforderung zu entfernen wagten. Und schließlich gab es da noch den Sergeant Stefanopolous, der sich immer wieder kopfschüttelnd seine harten Bartstoppeln rieb. Er kam nicht darüber hinweg, daß er den Mercury praktisch schon hatte stoppen wollen und dann durch Sarah Conroy doch nicht dazu gekommen war.
»Etwas leuchtet mir noch nicht ein«, sagte ich, nachdem ich mir noch einmal hatte durch den Kopf gehen lassen, was uns von dem Überfair berichtet worden war. »Die Gangster müssen also auf der Galerie gewesen sein. Aber wie sind sie dort hinauf gekommen?«
Einer der beiden Detektive der Stadtpolizei zuckte mit den Achseln.
»Das ist das große Rätsel«, erwiderte er. »Nicht einer von den Bankangestellten hat jemand die Treppe hinaufgehen sehen.«
»Gibt es einen anderen Weg, auf die Galerie zu kommen?«
Der Bankdirektor nickte.
»Vom Personaleingang im Hof her führt ebenfalls eine Treppe ins Obergeschoß«, erklärte er. »Aber nicht direkt auf die Galerie.«
»Sondern?«
»Diese Hintertreppe führt in die Buchhaltung.«
»Durch unsere Abteilung ist niemand gekommen!« rief einer der beiden Abteilungsleiter laut. »Niemand, Sir! Das wäre uns doch aufgefallen! Im Obergeschoß haben doch Fremde nichts zu suchen!«
»Großartig«, sagte Phil. »Die Gangster waren auf der Galerie. Aber sie sind weder über die vordere noch über die hintere Treppe hinauf gekommen! Die Burschen müssen irgendwelche geheimnisvollen Fähigkeiten besitzen. Vielleicht können sie sich unsichtbar machen.«
»Sie sind ja nicht bloß unsichtbar gewesen, als sie kamen«, knurrte der zweite Detektiv. »Sie sind auch völlig unsichtbar verschwunden!«
»Es hat sie nämlich auch niemand beim Verlassen des Gebäudes gesehen,« ergänzte der erste und grinste auf eine schon beinahe unverschämte Weise.
»Wenn nicht hundertsiebzehn Zeugen — Angestellte und Kunden — bezeugt hätten, daß es einen Überfall gab, würde ich die ganze Geschichte für ein Hirngespinst halten.«
»Augenblick mal!« rief Phil. »Niemand hat gesehen, wie die Gangster kamen. Es hat auch niemand gesehen, wie sie verschwanden. Ich bin kein Wissenschaftler, aber soviel ich weiß, können sich Menschen immer noch nicht unsichtbar machen. Und an übernatürliche Dinge glaube ich nicht. Es gibt also nur zwei Erklärungen: Entweder hatten die Gangster einen Weg, wo sie nicht gesehen werden konnten…«
»Völlig ausgeschlossen«, brummte der Bankdirektor und fuhr sich wieder einmal über seine Glatze. »Wenn sie auf der Galerie waren, müssen sie entweder vorn oder hinten die Treppe benutzt haben.«
»In beiden Fällen hätten sie gesehen werden müssen. Das war aber nicht der Fall«, fuhr Phil in eiskalter Sachlichkeit fort. »Und folglich bleibt nur die zweite Erklärung übrig.«
»Und welche ist das?« fragte der Bankdirektor.
Phil lächelte dünn. »Daß es überhaupt keine Gangster auf der Galerie gab.«
Einen Augenblick lang konnte keiner sein eigenes Wort verstehen, weil alle durcheinanderredeten. Als sich der Krach legte, rief der Bankdirektor verzweifelt: »Mr. Decker! So geht das doch nicht! Wie Sie ja selbst gehört haben, liegen die Aussagen von mehr als hundert Zeugen vor, die…«
»Die allesamt nichts gesehen haben«, setzte Phil den Satz fort. »Mehr als hundert Leute können aber nicht mit Blindheit geschlagen sein. Mir scheint, daß man die Aussagen bisher nicht richtig analysiert hat.«
Einer der beiden Detektive auf der Couch bekam einen roten Kopf.
»Halten Sie uns für Idioten, G-man?« knurrte er aggressiv.
»Ganz bestimmt nicht«, sagte Phil verbindlich. »Aber Sie hatten doch bisher gar keine Zeit, sich einen richtigen Überblick zu verschaffen. Sie haben in einer bewunderswert kurzen Zeit alle Personalien und die ersten kurzen Zeugenaussagen auf genommen. Jetzt wollen wir die einmal auswerten. Niemand hat die Gangster gesehen, soviel steht fest. Aber alle haben die Stimme gehört. Die Stimme kam von der Galerie her — sagen fast alle. Nun, ich finde, daraus ergibt sich ein schwerwiegender Verdacht.«
»Möchte Wissen, welcher«, knurrte der Detektiv. »Einmal sagen Sie, es kann niemand auf der Galerie gewesen
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