Jerry Cotton - 0538 - Duell im Schlangensumpf 2 of 3
sanften Druck ihres Fußes und die Zehen, die an meinem Bein zupften. Etwas verkrampft lächelte ich in das schöne dunkle Gesicht. Armer Dawson, dachte ich, ich möchte nicht wissen, wie oft sie ihn schon betrogen hat.
Als ich nicht viel Begeisterung zeigte, gab Vivienne ihre Annäherungsversuche auf. Aber sie war weder beleidigt noch gekränkt. Offenbar hielt sie mich für befangen.
Über die Everglades senkte sich die Nacht. Sie war von einem tintigen Blau, das am Himmel von schwefelgelben Streifen durchzogen wurde. Mückenschwärme tanzten durch die offene Tür herein. Mit Anbruch der Nacht schien der Sumpf aus seiner Trägheit zu erwachen. Es zirpte, raschelte und quietschte. Wir hörten Schreie, unterbrochen von Plätschern und zischenden Lauten. Ich hatte keine Ahnung, welche Tiere das nächtliche Konzert veranstalteten.
Eine Stunde noch, so hoffte ich, dann würden alle schlafen. Alle, außer Penny und mir. Wir wollten den Raum untersuchen, den Myer vor unserer Keilerei als den von Claar bezeichnet hatte. Vermutlich gab es unter den zerschlissenen Teppichen und Matten eine Falltür.
Unser weiteres Vorgehen wollte ich vom Zustand des Mannes abhängig machen. Wenn er groggy oder verletzt war, gab es nur eines: heimlich und still über den Steg davonschleichen und in einem der Kähne verschwinden. Wir wollten wieder nach Fort Lauderdale und das FBI benachrichtigen. Dann mußten wir zurückkehren und die Bande festnehmen.
Ich spießte das letzte Stück Fleisch mit der Gabel auf und schob es in den Mund. Ich fühlte mich so müde und schlapp, daß ich kaum die Kraft zum Kauen aufbrachte. Eine dunkle Wolke stieg plötzlich vor mir empor, als wollte sie mich unter sich begraben. Mein Atem wurde knapp. Verzweifelt japste ich nach Luft. Benommen starrte ich auf meinen Teller. Die Gabel i war meiner Hand entglitten. Mühsam drehte ich den Kopf nach links, wo Penny saß. Sie war in sich zusammengesunken. Ihr Kopf ruhte neben dem Teller. Die Augen waren geschlossen. Unter schweren Atemzügen spannte sich ihre Bluse.
Vivienne sah genauso aus. Auch ihr Kopf war auf den Tisch gesunken. Auch sie schlief. Tief wie eine Narkotisierte.
Als ich Dawson anblickte, wußte ich, was los war.
»Verdammter Hund«, murmelte ich. »Du hast uns vergiftet.«
Ich versuchte aufzustehen. Es ging nicht.
»Tut mir leid«, hörte ich Dawsons Stimme. Sie war laut und grell, schwang plötzlich zurück und wurde leise und piepsig wie ein langsam abgedrehtes Radio. »Befehl vom Boß«, hörte ich. »Nur ein Schlafmittel. Morgen seid ihr frisch und ausgeruht.«
Verdammt, dachte ich noch, was wird mit Claar. Dann verflüchtigte sich der Gedanke, wurde nebelhaft; und ich glaubte kopfüber in ein Meer aus schwarzer Watte zu stürzen.
***
Als ich wach wurde, stachen mir Sonnenstrahlen ins Gesicht. Ich blinzelte ein paarmal. Mein Kopf war leicht und frei, aber ich fühlte mich irgendwie unwirklich — wie nach einer zu langen Schlafkur, die alles gelöst hat und damit zunächst einmal schwächt. Ich schaute mich um. Neben mir schlief Penny. An ihrer rechten Seite hatte sich Vivienhe in ihrem roten Kleid wie eine Katze zusammengeküschelt. Wir drei ruhten auf dem blanken Boden des Raumes, in dem uns Dawson mit seiner präparierten Abendmahlzeit flachgelegt hatte.
Ich richtete mich auf. Meine Armbanduhr war stehengeblieben. Aber nach dem Stand der Sonne zu urteilen, die ich durch die geöffnete Tür sehen konnte, war es mindestens zehn Uhr vormittags.
Ich griff zur Hosentasche. Natürlich, die Pistole, die ich Myer abgenommen hat te, war verschwunden.
Ich ließ die beiden Frauen schlafen, stand auf und trat ins Freie.
Myer hatte sich einen Holzhocker an die Barackenwand gestellt. Er saß darauf, lehnte mit dem nackten Rücken an dem rissigen Holz und ließ sich von der Sonne braun brennen. Als er mich sah, verzog sich sein Gesicht wie bei Zahnschmerzen. Seine Hand kroch verstohlen zum Gürtel, wo die Pistole in einer offenen Halfter steckte. Aber es war nur eine von böser Erfahrung diktierte Reflexbewegung. Es bedeutete nicht, daß er auf mich schießen wollte.
Ich schlenderte an ihm vorbei. Als ich zur Küche kam, roch ich den Kaffee.
Dawson saß am Tisch. Als ich schweigend eintrat, lief sein Gesicht rot an. »Sie dürfen mir das nicht übelnehmen, Cain«, sprudelte er hastig hervor. »Der Boß hat es befohlen.«
»Sie haben nicht mal Ihre Frau geschont.«
»Das ging nicht anders. Sie hätten Verdacht geschöpft, wenn auch Viv kein
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