Jerry Cotton - 0540 - Terror im Highway-Hotel
Köpfe der Neugierigen hinweg einen Blick hinab auf den Highway werfen zu können. Das rotierende Licht des Streifenwagens warf einen gespenstisch fahl-roten Lichtschein in schnell zuckendem Rhythmus in die Runde. Da unten war also das Nötigste gewährleistet, auch ohne daß ich mich darum kümmerte. Ich beschloß, trotz aller Turbulenz nicht von der Linie abzuweichen, die ich mir für mein Vorgehen ausgedacht hatte. Es hatte keinen Sinn, vom Schauplatz des einen zum Schauplatz des nächsten Verbrechens zu hetzen und überall nichts als eine erste Tatbestandsaufnahme vornehmen zu können. Wenn wir den Gangstern das Handwerk legen wollten, mußten wir den Kreis der Beteiligten an irgendeiner Stelle aufbrechen und von dort her Beweismaterial sammeln und sicherstellen.
Karin Hale schob mir einen Zettel zu. Ich las:
»Mrs. und Mr. George Karston, Heimatanschrift Houston-Tex., bei uns Apartment 968.« Dahinter kamen die Zimmernummern der anderen.
Ich dankte ihr mit einem Blick, schob den Zettel in die Brusttasche und suchte mein Zimmer auf. Aus dem Luftschacht im Badezimmer holte ich mir meinen Revolver und schob ihn in die Schulterhalfter in der linken Achselhöhle. Das vertraute Gewicht hatte mir gefehlt. Ich riß einen Karton mit Patronen auf und stopfte die Munition in die linke'Hosentasche.
Ein paar Minuten Später stand ich im Flur der zwölften Etage und sah mich suchend um. Der Fahrstuhl mündete in einem ovalen Raum, von dem einige Korridore abzweigten. An der Wand wiesen Pfeile nach den Zimmernummern. Nummer 1231 lag im Ostflügel. Ich marschierte los.
Die Korridore waren mit geräuschdämpfenden Teppichen ausgelegt. In regelmäßigen Abständen brannten moderne zweiflammige Wandleuchter. Ich ging an einem guten Dutzend geschlossener Türen vorbei. Bis ich Zimmer 1231 gefunden hatte — und dort stand die Tür offen.
Ich klopfte gegen den Türrahmen.
Es rührte sich nichts. Ich gab der Tür einen leichten Stoß und rief ein paarmal nach Hossfield. Ich erhielt keine Antwort. Mit der Linken tastete ich innen die Wand ab, bis ich den Lichtschalter gefunden hatte. Schon von der Tür her sah ich das große Loch in der Fensterwand. Ein paar Scherben lagen auf dem Teppich, aber das meiste mußte nach draußen gefallen sein.
Also war Hossfield der Mann, der auf den Highway gestürzt war. Gestürzt war oder gestürzt worden war. Das letztere hielt ich für wahrscheinlicher. Ich sah mich langsam und sehr sorgfältig im Zimmer um. Vorn in dem eingebauten Wandschrank fand ich zwei Hemden und ein paar Socken. In einer Reisetasche steckte eine zusammengerollte Cordhose. Für einen vermögenden Playboy war das ziemlich wenig.
Ich untersuchte die Taschen der Hose. In einer fand ich einen zerknitterten Zettel. Ich zupfte ihn behutsam auseinander.
»Mr. Dean Carrigan«, stand darauf, »95. Straße, Chic.« Darüber befand sich der aufgedruckte Briefkopf einer chinesischen Wäscherei und die Anmerkung »Lieferschein«. Sieh an, dachte ich. Mr. Hossfield heißt in Wirklichkeit Carrigan und stammt aus Chicago. Ich legte den Zettel in meine Brieftasche, schaltete das Licht aus und drückte die Zimmertür hinter mir ins Schloß.
Ich fuhr herunter zur neunten Etage, klopfte gegen die Tür mit der Nummer 968. Sie wurde fast augenblicklich geöffnet, als ob man hier längst auf einen bestimmten Besuch gewartet hätte.
Der ältere Mann, der geöffnet hatte, war sichtlich enttäuscht, als er mich sah. Offenbar hatte er jemand anders erwartet.
»Hallo!« sagte ich freundlich. »Wie geht’s, wie steht’s? Darf ich hereinkommen?« Ich ließ ihm keine Zeit zu einer ablehnenden Antwort, sondern war schon an ihm vorbei, bevor er sich von seiner Überraschung erholt hatte. »Ich soll Sie von Ihren Freunden aus Chicago grüßen«, sagte ich.
»Aber die wissen doch gar nicht, wo…«
»Du Esel!« rief eine alte Lady dem Alten zu, während sie wütend die Tür vom Badezimmer hinter sich zuknallte. »Du Esel, du!«
Der Alte sah mich verdattert an.
»Also halten wir mal eines fest«, sagte ich ruhig. »Sie haben gerade indirekt zugegeben, daß Sie aus Chicago stammen und nicht aus Texas.«
Die Lady starrte mich böse an. Der Alte fuhr sich mit einer fahrigen Bewegung durch sein hageres Gesicht. Zumindest er hatte ein schlechtes Gewissen, das sah man auf Anhieb.
»Sie haben sich in eine bedenkliche Lage gebracht«, bluffte ich.
»Siehst du!« brummte der Mann.
»Ach, halt den Mund!« kreischte die Frau. »Wenn du ein bißchen
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