Jerry Cotton - 0546 - Der Gefaehrte des Grauens
eigenhändig töten.« Ich seufzte. »Wenn ich Acer hochgehen lasse, platzt meine Tramp-Rolle. Schade, denn sie fängt an, mir Spaß zu machen. Ich bin von einem Privatdetektiv zur Mitarbeit engagiert worden, und ich erhielt zweihundert Dollar Startgeld.« Phil schüttelte den Kopf. »Das FBI zahlt miserabel. Wir sollten in die Privatwirtschaft überwechseln. Fünfhundert Dollar von der Gangsterseite, zweihundert aus der entgegengesetzten Ecke! So schnell können wir den Monatsscheck beim FBI nicht verdienen.«
»Der Privatdetektiv ist eine Lady und bildhübsch. Sie heißt Diane Jagg und wohnt in dem Apartment E 17, in dem Vera Gardner umgebracht wurde.«
Phil zog die Augenbrauen hoch. »Wer hat sie in diesen Fall und in das Apartment geschickt?«
»Paul Colon! Anscheinend glaubt er, die Polizei gäbe sich nicht genug Mühe bei der Aufklärung des Mordes an seiner Verlobten. Diane soll versuchen, einen Mann zu finden, von dem Vera Gardner sich verfolgt fühlte — einen Landstreicher, dessen Gesicht von einem Ausschlag entstellt ist.«
Phil kannte die Akten über diesen Mord nicht schlechter als ich. »Dieser Mann steht schon auf der Fahndungsliste.«
»Aber er wurde bisher nicht gefunden. Colon hat nicht völlig unrecht, wenn er der Gründlichkeit der Polizeiarbeit mißtraut.« Ich berichtete vom Ausbrechen des Mauersimses. »Der Mörder kann nicht auf dem Wege, den die Mordkommission bisher angenommen hat, in das Apartment eingedrungen sein.« .
Phil pfiff leise durch die Zähne. »Die Tür war verschlossen, und der Schlüssel steckte von der Innenseite.«
Ich rieb mir das Kinn. »Vera Gardner könnte den Mann hereingelassen haben. Nach der Tat kann er sich bis zur Feuerleiter in der dritten Etage abgeseilt haben.«
Fast mitleidig lächelte Phil. »Das ist an den Haaren herbeigezogen, Jerry! Vera Gardner kam von ihrer Verlobungsparty. Sie war müde und ziemlich beschwipst. Sie hat das Bad nicht mehr benutzt, woraus geschlossen werden kann, daß sie sofort ins Bett gegangen ist. Aber selbst wenn wir annehmen, sie hätte jemandem, der an ihre Tür klopfte, geöffnet, so hätte sie sicher nur bei einem guten Bekannten so reagiert. Alle Bekannten und Freunde des Mädchens waren Gäste dieser Party. Sie fuhren zwar in die jeweiligen Wohnungen, nachdem sie Miß Gardner nach Hause gebracht hatten, aber sie waren alle mehr oder weniger betrunken. Als der Mord an dem Mädchen am anderen Morgen entdeckt worden war, wurde von allen Teilnehmern der Party eine Blutprobe genommen. Nun, sie hatten sich alle mächtig die Nase begossen. Alle lagen sie über 1,5 Promille, und einige kamen hart an 2 heran.« Er schüttelte den Kopf. »Ein Mann, der sich mit soviel Alkohol im Blut an einer Hauswand abseilen wollte, würde nach wenigen Sekunden Gleichgewicht und Halt verlieren und wie ein Stein nach unten fallen.«
»In Ordnung«, antwortete ich, »aber Vera Gardner wurde in ihrem Apartment ermordet, und ihr Mörder kann nicht über den Mauersims herein- und hinausgekommen sein.«
»Ich werde mich in dem Haus noch einmal umsehen«, erklärte er.
»Bei dieser Gelegenheit wirst du dir Diane Jagg ohne Zweifel ansehen, oder?«
»Irgend etwas dagegen einzuwenden?« fragte er und grinste.
Ich wehrte mit großer Geste ab. »Selbstverständlich nicht, aber ich appelliere an deine Fairneß. Du kommst als G-man, fährst einen Jaguar, der mir gehört, und kannst den großen Kollegen spielen. Mich lernte sie als Tramp und Einbrecher kennen. Die Startbedingungen sind ungleich. Also halte dich zurück.«
»Hört sich an, als zappeltest du an ihrer Angel!«
Ein heftiger Ruck an der Leine riß Phil um ein Haar die Rute aus der Hand. Als er zupackte, bog sie sich unter dem Zug des Fisches. »He, ein Haifisch hat angebissen!« rief Phil völlig überrascht.
»Auf jeden Fall zappelt irgend etwas an deiner Angel, alter Junge!« sagte ich und überließ ihn seinem Schicksal.
Diane Jagg stand auf dem Balkon des Apartments E 17. Nachdenklich betrachtete sie das ausgebrochene Stück des Mauersimses. Erst als das Telefon läutete, riß sie sich von dem Anblick los.
Paul Colon war am Apparat. »Hallo, Diane! Sie haben mir einen ersten Bericht versprochen. Wann kann ich ihn haben?«
»Oh, ich dachte, es hätte noch ein wenig Zeit. Schließlich habe ich noch nicht viel zu berichten.«
»Trotzdem bitte ich um einen ersten Bericht, Diane. Ich mache mir einige Sorgen wegen dieses Burschen, den Sie mir aufgedrängt haben. Ich halte den Mann für
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