Jerry Cotton - 0546 - Der Gefaehrte des Grauens
einen Verbrecher, und ich möchte, daß Sie in Ihrem Bericht festhalten, daß er auf Ihre Veranlassung und auf Ihre Verantwortung in die Nachforschungen eingeschaltet wurde. Wenn es irgendeinen Ärger mit ihm gibt, müssen Sie dafür geradestehen.«
»In Ordnung, Paul!«
»Bitte, fassen Sie den Bericht sofort ab! Wann kann ich ihn bekommen?«
»In etwa zwei Stunden.«
»Bringen Sie ihn mir bitte in meine Wohnung!«
»Einverstanden!« Sie beendete das Telefongespräch mit einigen Höflichkeitsl'loskeln, holte ihre Reiseschreibmaschine und spannte einen Bogen mit dem gedruckten Briefkopf: »Diane Jagg, Detektiv, alle Nachforschungen.« Seufzend begann sie, auf der Schreibmaschine herumzuhämmern. Das Verfassen der Berichte für die Kunden empfand Diane als unangenehmsten Teil ihres Berufes. Ihre Künste auf der Schreibmaschine waren beschränkt. Jedesmal, wenn sie sich vertippte, fluchte sie laut. Nach mehr als einer halben Stunde hatte sie kaum eine halbe Seite geschrieben. Als es klingelte, sprang sie fast erleichtert auf, ging zur Tür und öffnete.
Der Mann, der im Flur stand, zog den Hut. »Guten Tag!« sagte er. »Sie sind die neue Bewohnerin dieses Apartments?«
»Ich brauche nichts!«
Der Mann zog einen Ausweis. »Phil Decker vom FBI! Darf ich um Ihren Namen bitten?«
»Diane Jagg! Ich bin Privatdetektivin! Kommen Sie ’rein, großer Kollege!«
Sie ging voraus. An diesem Tage trug sie eine knallrote Hose, die so eng an ihrem Körper lag wie eine zweite Haut. Ein breiter Gürtel betonte die schmale Taille. Als Bluse trug sie ein normales Oberhemd, dessen Ärmel sie aufgerollt hatte. Phil fiel es schwer, seinen Blick loszureißen, als sie ihm voraus in den Wohnraum ging. Mit Anstrengung legte er sein Gesicht in dienstliche Falten.
»Arbeiten Sie auf eigene Faust an der Aufklärung der Frauenmorde?« fragte er.
»Nicht auf eigene Faust. Mr. Paul Colon engagierte mich, und er finanziert meine Arbeit.«
»Berufspolizisten schätzen es wenig, wenn ein Privatdetektiv in einem Mordfall herumstochert. Sie sollten sich auf die Beschaffung von Beweismaterial in Scheidungsangelegenheiten beschränken.«
»Schon gut, G-man!« fauchte Diane. »Ich kenne diese Meinung, und ich glaube, daß alle Cops, G-men und Tees in Wirklichkeit nur Angst davor haben, ein privater Detektiv, der über nichts weiter verfügt als seinen Verstand, könne ihnen trotz ihrer Laboratorien, ihres Radiodienstes und ihres ganzen technischen Klimbims den Rang ablaufen.«
»Vielleicht haben Sie recht, Miß Jagg, aber bei mir können Sie auf einen fairen Wettlauf rechnen. Sprechen wir über die Facts! Ich habe mir die Rückfront des Hauses vom Hof angesehen. An einer Stelle sind zwei, drei Fuß des Mauersimses ausgebrochen. Wie geschah es?«
»Ich bin die Ursache«, antwortete sie schnell. »Ich versuchte, vom Balkon aus zur Feuerleiter zu klettern.«
»Wie der Mörder Vera Gardners es getan haben muß.«
»Genau!- Ich wollte ausprobieren, ob es schwierig wäre, aber dabei brach ein Stück des Simses weg.«
»Sie lügen noch?« fragte Phil.
»Wie bitte?«
»Sorry, aber ich versprach mich. Sie leben noch, wollte ich fragen.«
»Ich hatte einfach Glück. Ich konnte das Balkongitter fassen und mich hochziehen.«
»Darf ich mir den Simsbruch aus der Nähe ansehen?«
»Selbstverständlich.« Sie traten zusammen auf den Balkon hinaus. Der Balkon war nicht sehr groß, und Diane gab sich nicht die geringste Mühe, sich von Phil fernzuhalten. Als sie sich gemeinsam über das Geländer beugten, streifte sie seine Schulter.
»Rätselhaft!« murmelte Phil. »Die Polizei hat immer angenommen, daß der Mörder über Leiter und Sims in die Wohnung eindrang.«
»Das scheidet offensichtlich aus. Vielleicht kam er einfach durch die Tür?«
»Theoretisch kann er durch die Tür gekommen sein, aber er kann das Apartment nicht durch die Tür verlassen haben. Der Schlüssel steckte von der Innenseite.«
Aus weniger als zwei Handspannen Abstand lächelte Diane dem G-man ins Gesicht. »Wirklich? Es ist verdammt fair von Ihnen, mir das zu sagen. Ich habe keine Möglichkeit, in den offiziellen Untersuchungsakten zu blättern.« Phil lächelte zurück. »Warum soll ich Ihnen nicht ein paar Tips geben? Ich vertraue Ihnen sogar noch ein Geheimnis an. Es ist mit neunundneunzig Prozent Sicherheit auszuschließen, daß der Mörder von Vera Gardner in die Wohnung gelassen wurde. Er muß von draußen eingedrüngen sein.«
Diane drehte sich um, legte den Kopf
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