Jerry Cotton - 0556 - Das Revolver-Quintett
Blick. Sam Peabody setzte sich auf die Lehne eines Sessels.
»Ach nein«, sagte er gedehnt. »Wir blasen die Sache ab?«
»Ja!« Der Alte nickte eigensinnig.
»Würdest du so freundlich sein, uns wenigstens die Gründe für diesen plötzlichen Entschluß mitzuteilen? Immerhin haben wir fast ein halbes Jahr Mühe in die Vorarbeiten gesteckt.«
»Besser ein halbes Jahr verschwendet, als fünfzehn Jahre im Zuchthaus sitzen.«
»Hm. Ich denke, darüber waren wir uns doch schon vor einem halben Jahr klargeworden, daß die Geschichte ein Risiko birgt, oder?«
»Cotton war hier! Bei mir!« platzte der Alte heraus.
»Na und? Das wissen wir. Du hast es uns doch gesagt.«
»Habe ich das?« fragte das alte Männchen und fuhr sich mit seinen hageren Fingern über die schimmernde Stirnglatze. »Ach so, ja. Natürlich. Habt ihr den anderen G-man abgefangen?«
»Haben wir«, sagte sein Neffe.
Der Alte sah ihn erschrocken an. »Und? Was habt ihr mit ihm gemacht? Ihr habt ihn doch wohl nicht umgebracht? Nun sage doch schon etwas! Verdammt noch einmal, wenn ihr ihn umgebracht habt, mache ich nicht mit! Ich bin doch kein Selbstmörder! Wie konntet ihr denn nur so verrückt sein und einen G-man ermorden! Weißt du denn nicht, was das heißt?«
Seine Stimme war schriller und schriller geworden, bis sie sich schließlich überschlug. Der junge Peabody verzog angewidert das Gesicht.
»Du wirst ja hysterisch«, sagte er verächtlich.
»Hysterisch? Wenn ihr einen G-man umbringt?«
»Niemand hat gesagt, daß wir ihn umgebracht hätten! Hör endlich mit deinem verdammten Gekreisch auf!«
»Aber — ich denke…«
»Du denkst nicht mehr, du hast hysterische Kurzschlußeinfälle. Wir haben den G-man, der bei Cotton war, abgefangen. Das ist es, was wir gesagt haben. Was hat das mit Umlegen zu tun? Wir haben ihn abgefangen, gefesselt und in einem Lagerhaus am East River zurückgelassen. Als wir vor einer Viertelstunde oder auch einer halben — ich habe nicht auf die Uhr geschaut — dort weggingen, war er noch bewußtlos. Selbst wenn er in Kürze wieder zu sich kommen sollte, wird er ein paar Stunden brauchen, bis er sich von den Fesseln befreien kann. Soviel Zeit werden wir ihm gar nicht lassen, denn spätestens in einer halben Stunde sind wir wieder dort und werden dafür sorgen, daß der Mann bis morgen abend nichts unternehmen kann. Jetzt weißt du Bescheid. Aber wir wollen über etwas anderes mit dir sprechen. Wieso kam Cotton gerade zu dir zum Telefonieren, he? Wieso gerade hier?«
Der Alte hob die Arme. »Woher soll ich das wissen? Ich habe mir ja auch den Kopf darüber zerbrochen, kaum daß er weg war. Ich kann es mir nicht erklären.«
Sam Peabody stand auf. Er trat näher an das Bett heran. Der Gürtel vom Bademantel seines Onkels hing nur noch in einer Schlaufe. Ein Ende lag auf dem Boden. Der Neffe bückte sich und hob es auf.
»So«, sagte er. »Du kannst es dir nicht erklären?«
Er begann, den Gürtel zu einer Spirale zusammenzuwickeln. Mit einem leichten Ruck hatte er den Rest aus der Schlaufe herausgezogen.
»Wie viele Leute wohnen eigentlich in diesem Kasten?« fragte er.
»Ich habe sie nicht gezählt. Zweihundert. Oder dreihundert. Was weiß ich?«
»Und die meisten dürften Telefon haben, nicht wahr?«
»Fast alle.«
»Schön. Und kaum, daß Cotton weiß, daß sein Telefon angezapft ist, da erscheint er auch schon bei dir und fragt, ob er mal deinen Apparat benutzen darf?«
»Irgendwo mußte er es doch tun, wenn er seinen angezapften Apparat nicht benutzen wollte!«
»Aber unter zweihundert Leuten sucht er sich ausgerechnet dich heraus?« Der alte Peabody verzog unglücklich das Gesicht. Sein Neffe stand vor ihm und spielte mit dem zusammengerollten Gürtel seines Bademantels.
Der Alte stand auf und sah seine beiden Besucher ängstlich an. »Ich verstehe es ja auch nicht«, gestand er weinerlich. »Ich weiß wirklich nicht, was ich davon halten soll. Und deshalb sollten wir die Geschichte abbrechen, solange es noch nicht zu spät ist, Sam. Jetzt können wir noch zurück!«
»Ach? Jetzt können wir noch zurück?« fragte der Neffe und ließ den zusammengerollten Gürtel wie eine Peitschenschnur auseinanderschnellen. »Natürlich! Warum denn nicht?«
»Aus zwei Gründen: Erstens haben wir viel zuviel Zeit und Mühe in die Vorbereitungen gesteckt. Jetzt muß es sich auch auszahlen. Und zweitens hat Cotton sowieso schon Verdacht geschöpft.«
Der Alte fuhr zusammen. »'Wieso?« kreischte er schrill.
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