Jerry Cotton - 0561 - Die vertauschte Moerderin
’rein!«
Er schob den Negerportier zur Seite. »Laß den G-man ’rein, Sammy. Gute Zusammenarbeit mit den Behörden zahlt sich immer aus.«
Im Inneren des Nachtlokals zeugten nur noch zwei zertrümmerte Stühle und ein umgestürzter Tisch von der Schlägerei. Die Stimmung stieg bereits wieder. Für Kneipen diesen Stils gab es ein einfaches Mittel, Zwischenfälle vergessen zu lassen: Statt eines Girls wurden zwei oder drei gleichzeitig auf die primitive Bühne geschickt.
»Einen Drink?« fragte der Blonde.
Ich schüttelte den Kopf. »Ihr Laden?«
»Nur gepachtet, aber auf eigene Rechnung! Übrigens, ich heiße William Rasting. Meine Freunde nennen mich Bill.« Er grinste. »Leider gibt’s keinen Polizisten, der mich jemals so angeredet hätte.«
»Passen Sie auf, Bill!« sagte ich. »Ich suche Ben Mercolano und seinen Freund, einen Mann mit einem Boxergesicht.«
Drei Männer betraten den Diamond-Klub. Es handelte sich um die Kollegen, die ich bestellt hatte. Walt Frasner, der sie anführte, nickte mir zu.
Rasting seufzte. »Nichts verschlechtert die Kasse mehr als Polizisten im Saal.« Auch die Mädchen hatten gewittert, daß der Abend nicht programmgemäß verlief. Hier und da standen sie von den Tischen oder den Knien ihrer Freunde auf und verzogen sich in den Hintergrund des Saales.
»Ben Mercolano«, wiederholte ich. »Er hat Narben auf beiden Seiten des Gesichts. Erzählen Sie mir nicht, daß Sie ihn nicht kennen. Und behaupten Sie auch nicht, er wäre nicht hier gewesen. Ich habe selbst gesehen, wie er diesen Laden betrat.«
Rasting hob abwehrend beide Hände. »Warum soll ich lügen? Ich vermeide Ärger mit der Polizei, wo es geht. Mercolano war hier, und wahrscheinlich befindet er sich noch im Haus. Er fragte nach einer Frau, die ihn mal in ihre Wohnung mitgenommen hat.« Er wies mit den Daumen gegen die Decke. »Ich nehme an, daß sie hinaufgegangen sind.«
»Wer war der zweite Mann?«
»Mog Souhup, früher mal ein recht ordentlicher Halbschwergewichtler.«
»Zeigen Sie mir den Weg zur Wohnung!«
Er führte mich durch eine Seitentür in das Treppenhaus. Auf dem Podest der ersten Etage lagen zwei schwarze Damenschuhe mit hohen Absätzen. Ich hob sie auf und hielt sie Rasting hin. Er starrte mit gerunzelten Brauen auf die Schuhe und nagte an seiner Unterlippe.
»Wem gehören sie?« wollte ich wissen.
»Fragen Sie mich, G-man? Keine Ahnung! Sie haben doch gesehen, wieviel Frauen in meinem Laden herumlaufen. Kann ich wissen, welche sich bis hierher verirrt hat?«
»Können die Schuhe der Frau gehören, die Mercolano gesucht hat?«
Der Lokalinhaber sah mich fast mitleidig an. »G-man, die Schuhe sind das letzte, auf das ich bei ’nem Girl achte.« Wir stiegen weiter die Treppe hinauf. Die Tür zur Wohnung stand offen; das Licht brannte. Langsam ging ich den Korridor entlang. Der erste Raum lag im Dunkeln. Im zweiten, der offensichtlich als Schlafzimmer benutzt wurde, brannte Licht. Ich ging hinein und sah mich um. Ein paar Dinge verrieten, daß eine Frau den Raum benutzte. Rasting, der zunächst an der Tür stehengeblieben war, ging weiter. Ich hörte, wie er ein leises »Verdammt« von sich gab. Dann rief er mich: »He, G-man!«
Er stand in der Türöffnung zum dritten Raum. Ich schob ihn zur Seite. Ben Mercolano lag über dem Schreibtisch, Mog Souhup auf dem Fußboden davor.
»Ich brauche ein Telefon«, sagte ich. »Der Spaß für Ihre Gäste ist leider zu Ende.«
Ich alarmierte nicht nur die zuständige Mordkommission der City Police, sondern auch genug uniformierte Cops, um den gesamten Block abzusperren.
Während sich kurz darauf die Beamten der Kommission an die Arbeit machten, die Blitzlichter flackerten, Spuren gesichert wurden, vernahmen drei Spezialisten alle Gäste, alle Girls und alle Angestellten des Nachtklubs.
Ich wartete den Befund des Arztes ab. Er begnügte sich mit einer kurzen Untersuchung. »Beide Männer wurden von hinten erschossen«, erklärte er lakonisch. »Der Mann auf dem Schreibtisch hat zwei Einschüsse im Rücken, der andere eine Kugel in die Schulter und eine zweite in den Hinterkopf bekommen. Beide Männer müssen sofort tot gewesen sein.«
»Keine Ausschüsse, Doc?« Er schüttelte den Kopf.
»Aus welcher Entfernung wurden sie niedergeschossen.«
»Genaue Angaben kann ich vor der Obduktion nicht machen. Die Wundränder sind nicht verfärbt. Also betrug der Abstand mindestens zwei Yard. Ich nehme an, daß der Täter sie vom Korridor aus durch die
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