Jerry Cotton - 0566 - Sie hetzten mich als Moerder
durchaus besteht. Deshalb werden Sie mir auch kaum glauben, was ich Ihnen jetzt sagen werde.«
»Hör auf!« sagte sie. »Wenn du so feierlich weiterredest, kommen mir am Ende noch die Tränen, und du kannst mir dann erzählen, du wärst der New Yorker Polizeichef. Du darfst nicht vergessen, daß ich noch ziemlich jung bin!«
»Was hat das damit zu tun?« wunderte ich mich.
»Wenn du mir das erzählen würdest, müßte ich mich totlachen. Und dazu bin ich noch zu jung«, sagte sie kalt.
»Ich würde es trotzdem riskieren«, entgegnete ich. »Sie können anfangen zu lachen. Ich bin G-man.«
»Haha«, lachte sie kurz und spöttisch. »Hast du keinen besseren Witz?«
»Das ist kein Witz!«
»Doch«, sagte sie. »Ich weiß sogar, wie er weitergeht. Du wirst mir jetzt erzählen, du köhntest dich als G-man ausweisen. Ich falle darauf herein, du greifst mit deiner rechten Hand in die Brusttasche und ziehst dabei das Schießeisen heraus, das du dort irgendwo stecken hast. Dann gibt es einen Knall, und die schöne Marylin ist tot. Nein, mein Freund, dieses Programm gefällt mir überhaupt nicht!«
»Schade«, sagte ich. »Aber von mir aus können Sie einen besseren Vorschlag machen. Es wird mir nämlich langweilig, hier herumzustehen.«
»Wirklich langweilig?« fragte sie mit einem seltsamen Lächeln.
»Ja, es ist…« Ich stockte und betrachtete sie forschend. In ihre Augen trat ein merkwürdiges Leuchten. Im gleichen Moment spürte ich jenes unerklärliche Gefühl im Rücken, jenes Gefühl, das mir deutlich anzeigte, daß jemand da war.
Unwillkürlich spannte ich meine Muskeln, hielt den Atem an. Ich vergaß ihre Pistole und federte herum. Das heißt, ich wollte es. Doch mitten in der Bewegung, zu der ich angesetzt hatte, traf mich ein harter betäubender Schlag an den Hinterkopf. Ein gewaltiger Stoß warf mich nach vorn.
Um mich drehte sich alles. Das Mädchen kam mir entgegen. Ihre Hand mit der Pistole flog hoch. Ich konnte mich nicht wehren. Nur eines spürte ich noch — den brennenden Schmerz, der mich durchfuhr, als der Kolben ihrer Waffe mich unmittelbar über der Nasenwurzel traf.
***
»Ist Mr. High in seinem Office?« fragte Phil kurz.
»Nein, Phil. Er ist zu einer Besprechung gefahren und kommt erst am Nachmittag zurück«, sagte Helen, Mr. Highs Sekretärin.
»Ich wollte ihm nur Bescheid sagen, daß Caldmans Geständnis jetzt komplett ist. Der Fall ist so klar, daß wir ihn an den Staatsanwalt weitergeben können.«
»Fein, Phil!« freute sich Helen.
»Wo steckt Jerry? Ist er mit Mr. High weggefahren?« wollte Phil noch wissen.
»Nein, Phil. Er hatte eine kurze Besprechung mit Mr. High und ist dann ziemlich eilig weggegangen. Die Zentrale müßte Bescheid wissen.«
Phil bedankte sich für die Auskunft und fragte anschließend bei der Zentrale nach.
»Jerry hat sich abgemeldet. Er wollte in die Centre Street zur City Police fahren.«
»Okay«, knurrte Phil. »Dann melde ich mich jetzt auch mal,ab. Ich bin seit gestern morgen ununterbrochen im Dienst und habe jetzt einen riesigen Appetit auf einen ebenso riesigen Hamburger. Wenn ich zurück bin, melde ich mich wieder.«
»Notiert, Phil!« gab der Mann in der Zentrale zurück. »Die Telefonnummer von Ritchies Steakhouse haben wir hier vorliegen, falls etwas passiert!«
»Vielleicht werde ich euch einen Streich spielen und meinen Hamburger nicht bei Ritchie essen«, konterte Phil. »Wenn ich dort hingehe, brauche ich erst gar keinen Hamburger zu bestellen. Ihr holt mich dann doch weg, ehe ich den ersten Bissen unten habe.«
Er stand auf, reckte sich wie ein Mann, der viele Stunden lang fast unbeweglich an seinem Schreibtisch gesessen hat, nahm seinen Hut und verließ das Office.
Er schaffte es tatsächlich, den Ausgang des FBI-Gebäudes zu erreichen, ohne daß irgend jemand ihn mit einer dringenden Angelegenheit zurückhielt. Auf der Straße atmete er tief durch. Die von Abgasen verdorbene New Yorker Luft kam ihm immer noch frischer vor als der, wie er sich gerne ausdrückte, klimatisierte Mief im Office. Er schlenderte nach links, wie ein Mann, der nicht weiß, was er mit seiner Zeit anfangen soll, bis zur Ecke der zweiten Avenue, blieb dort einen Moment vor dem Schaufenster eines Herrenwäschegeschäftes stehen und betrachtete kopfschüttelnd ein himbeerrotes Herrenhemd mit lila Diagonalstreifen. Nach einem stummen Stoßseufzer wandte er sich nach rechts. An der Kreuzung mit der 68. Straße ging er auf einen Fußgängerpulk zu, der auf
Weitere Kostenlose Bücher