Jerry Cotton - 0566 - Sie hetzten mich als Moerder
auf dem Bürgersteig standen Gruppen aufgeregter Menschen. Zwei- oder dreimal sah ich, daß sie mir Zeichen gaben. Immer wieder die gleiche Richtung. Rechts.
»Cotton vom FBI in Streifenwagen 5857 der City Police. Zentrale, bitte kommen!« rief ich in das Mikrofon. Die Nummer des Wagens war auf einer Tafel am Funkgerät zu lesen.
»Zentrale City Police für G-man Cotton!«
»An alle: Fahndung nach einem Impala, Farbe grau, neueres Baujahr, gelbes Nummernschild, Lizenznummer vermutlich 38037 LO, zuletzt an der Lenox Avenue nach Süden abgebogen. Insassen: zwei Männer. Vorsicht — bewaffnet!«
»Verstanden! Meldung an alle!« kam es zurück.
Auf schreienden Reifen bog ich an der Lenox Avenue nach rechts ab. An der Kreuzung mit der 110. Straße wußte ich, daß ich auf der richtigen Fährte war.
Ein Cop sprang vor mir auf die Fahrbahn, winkte aufgeregt. Ich sah sofort, was los war — auf der Kreuzung war ein ganzer Pulk Fahrzeuge aufeinandergeprallt.
»Grauer Impala?« rief ich dem Cop zu.
»Ja — ist bei Rot durchgefahren, an der nächsten Kreuzung nach links abgebogen.«
Ich gab ihm ein Handzeichen, rief die Meldung in das Mikrofon und fuhr über die Bürgersteigkante an den verunglückten Fahrzeugen vorbei, der Richtung folgend, die mir der Cop angegeben hatte. Es war die Fifth Avenue. Auf ihr raste ich nach Norden, und wieder kamen mir der Zufall und die Tüchtigkeit eines Cops zu Hilfe. Der Uniformierte stand an der Kreuzung mit der 116. Straße, lief mir ein Stück entgegen und gab mir ein Winkzeichen mit beiden Händen. Er deutete weiter nach Norden.
Die Insassen des grauen Wagens mußten wie der Teufel fahren. Jedem Cop fielen sie auf.
Sirene und Rotlicht verschafften mir weiter Platz. Doch dann plötzlich war es aus. An der 120. Straße beginnt der Mount Morris Park. Die Fifth Avenue führt nicht hindurch, sondern der Verkehr muß links und rechts am Park vorbeilaufen.
Links oder rechts — das war die Frage. Ich wollte mich gerade für rechts entscheiden, als ich den grauen Wagen sah. Er war tatsächlich geradeaus weitergefahren. Jetzt stand er etwa 50 Yard weit im Park auf dem Rasen. Die linke Tür des Wagens war geöffnet. Durch den Park lief ein Mann auf eine Baustelle zu, zu dem Stahlskelett eines entstehenden Apartmenthauses.
Ich brüllte die Meldung in das Mikrofon und fuhr dann ebenfalls in den Park, bis dicht an den anderen Wagen heran.
Mit einem Sprung war ich aus dem Streifenwagen, zog im Laufen meinen 38er aus der Halfter, erreichte das Gangsterfahrzeug.
Auf dem rechten Vordersitz saß vornübergebeugt ein Mann, der sich mit der Hand auf das gepolsterte Armaturenbrett stützte.
Mit einem Sprung war ich am Wagen und riß die Tür auf. Der Mann fiel mir entgegen. Ich fing ihn mit beiden Armen auf. Sein Kopf ruckte auf die Seite. Das Gesicht war bleich, die Augen entsetzt auf gerissen. Leblos starrten sie mich an.
Es war ein schrecklicher Anblick. Aus höchstens drei Yard Entfernung hatte ein Geschoß den Kopf des Mannes durchschlagen. Er mußte auf der Stelle tot gewesen sein.
Ich ließ ihn sachte auf den Rasen gleiten, schaute hoch, sah etwa 150 Yard entfernt den anderen Mann laufen. Vor ihm ragte das Stahlsklett des Neubaus auf.
***
Melburn nahm den Gasfuß zurück. Die Geschwindigkeit des Chevy verringerte sich sofort. Irvin Rüssel, der Killer, spürte, daß Melburn jetzt noch einmal Widerstand leisten wdllte.
Sofort verstärkte er den Druck der Dolchspitze in Melburns rechte Seite.
Melburn versuchte, noch weiter nach links auszuweichen. Doch es ging nicht mehr.
»Wenn du die Tür aufmachst, hast du noch eine kleine Chance«, sagte Rüssel spöttisch. »Allerdings kann ich dir garantieren, daß dir das Messer im Wanst steckt, bevor du aus dem Wagen herausgefallen bist. Los, weiterfahren!«
Der Gangsterboß wußte, daß sein Gegner im Vorteil war. Der Dolch war ein überzeugendes Argument. Melburn wußte auch, daß Rüssel den Ruf eines gnadenlosen Killers genoß. Er würde keine Sekunde zögern, seine Drohung wahrzumachen. Er war ihm auf Gedeih und Verderb ausgeliefert.
In Melburns Jacke steckte zwar eine großkalibrige Pistole, aber sie war im Moment unerreichbar für ihn. Rüssel würde bei der ersten verdächtigen Bewegung mit dem Dolch zustoßen.
Nervös biß Melburn sich auf die Lippen. Er war in den letzten Minuten kurzatmig geworden. Die nackte Angst saß ihm im Genick.
Rüssel, der Killer, erkannte das klar. »Angst, Boß?« fragte er höhnisch. »Du kannst
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