Jerry Cotton - 0583 - Der Totenhaendler von Brooklyn
Erwachen registriert hatte. Er saß am Kopfende meines Lagers und roch penetrant nach kalter Zigarre.
Ich öffnete die Augen und sah den Burschen neben mir sitzen, der mich auf dem Parkplatz zusammengeschlagen hatte. Er war offenbar auf den Umgang mit Totschlägern spezialisiert. Auch jetzt klemmte eine Zigarre zwischen seinen plombierten Zähnen.
»Das nächstemal geht’s nicht so gut ab«, prophezeite er grinsend.
Er nuschelte beim Sprechen, weil er es nicht für notwendig hielt, die Zigarre aus dem Mund zu nehmen. Jedesmal, wenn er an der Zigarre nuckelte, hob er die Oberlippe wie ein bleckendes Pferd.
»Geben Sie mir etwas zu trinken«, krächzte ich.
Er erhob sich grinsend. »Ich kenne das«, meinte er und trat an den Barwagen. »Man fühlt sich, als hätte man die Schnauze voller getragener Socken.«
Ich beobachtete, wie er ein Glas mit Whisky und Soda füllte. Er trug einen dünnen, etwas weitgeschnittenen Anzug, der seine muskelstarke Körperfülle nicht betonte, aber auch nicht ganz verstecken konnte. Die Sonnenbrille steckte diesmal in seiner Brusttasche, aber den Stetson hatte er auf dem Kopf.
Er sah mit seinem runden glattrasierten Gesicht nicht einmal sonderlich brutal aus, aber seine babyblauen Augen hatten die Kälte eines Bergsees.
Wir waren allein im Zimmer. Ich konnte nicht lange ohnmächtig gewesen sein, aber die kurze Zeitspanne hatte meinen Gegnern genügt, mich erstklassig zu verschnüren. Die Stricke schnitten schmerzhaft in mein Fleisch.
Der Schläger kam mit dem Glas zurück. Er stopfte mir ein Kissen unter den Kopf und setzte mir das Glas an die Lippen. Natürlich ging die Hälfte des Drinks bei dieser Prozedur daneben, aber nach ein paar Schlucken fühlte ich mich wesentlich besser. Der Schläger stellte das Glas auf den Boden und setzte sich.
»Sie schulden mir eine Erklärung«, sagte ich.
»Klar«, grinste er. »Die bekommen Sie. Ich wette, sie wird so deutlich ausiallen, daß Sie nach keiner zweiten verlangen.«
»Wer sind Sie?« fragte ich ihn. »Nennen Sie mich ruhig Lou«, meinte er. »Unter dem Namen kennt mich jeder.« Er nahm die Zigarre aus dem Mund und betrachtete ihre weiße Asche. »Wir hatten Sie erwartet, Mister.«
»Tatsächlich?«
»Aber ja«, meinte er. »Als Ken das Zimmer von Saunders verlassen hatte, wurde ihm plötzlich klar, daß ihm etwas entgangen war. Saunders hatte sich mit seiner Kamera unten knipsen lassen — in Pryscillas Gesellschaft. Ken sauste später zurück, um den Film aus der Kamera zu holen, mußte aber erfahren, daß Sie das gute Stück mitgenommen hatten. Da wußten wir, daß uns Ihr Besuch bevor stand.«
»Ich gebe zu, daß Sie es verstanden haben, ein sehr attraktives Empfangskomitee auf die Beine zu stellen«, spottete ich.
»Und was für Beine das sind!« meinte der Schläger und spitzte die Lippen. »Der Gedanke an diesen Kuß wird Sie trösten. Es ist ein Erlebnis, das Ihnen das Sterben leichtmachen wird.«
»Warum sollte ich sterben?«
»Weil Sie uns ärgern. Weil wir es satt haben, daß Sie uns ständig ins Handwerk pfuschen. Wir haben das Gefühl, daß Sie der Lösung viel zu rasch nahegekommen sind.«
»Und wenn es so wäre? Was haben Sie denn erwartet? Im übrigen bin ich nicht der einzige, der den Fall bearbeitet.«
»Das ist uns klar, aber für uns sind Sie der gefährlichste. Das stellen wir ab.«
»Wie?«
»Indem wir Sie dorthin schicken, wo die Passagiere und Besatzungsmitglieder der ›Diana Mortimer‹ liegen — auf den Meeresgrund«, antwortete er.
***
»Warum mußte Saunders sterben?« fragte ich ihn.
»Sehr einfach. Er war Stammgast der Bar im Erdgeschoß. Dort lernte er Pryscilla kennen. Die beiden verknallten sich ineinander, nicht sehr heftig, aber doch so, daß ein paar unvorhergesehene Dinge passierten. Pryscilla trank einen über den Durst und erzählte ihm ihr großes Geheimnis. Unser Geheimnis! Zufällig hörte es einer von uns, sonst wäre die Panne gar nicht bemerkt worden.«
»Ich verstehe«, sagte ich. »Sie beschlossen, sofort die Notbremse zu ziehen und den unbequemen Mitwisser aus dem Weg zu räumen.«
»Uns blieb keine andere Wahl«, nickte er. »Das sah sogar die ernüchterte Pryscilla ein. Sie erklärte sich einverstanden, ihn zu einem Rendezvous im Grünen einzuladen. Dabei passierte es.«
»Wer tötete ihn?«
»Einer von uns«, sagte Lou. »Es wurde höchste Zeit. Vorher hatte Saunders nämlich Roger abserviert.«
»Wer ist Roger?« fragte ich ihn.
»Das war ’n Kumpel von
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