Jerry Cotton - 0584 - Du musst toeten Cotton
Uhr. Die Zeit schien rasend schnell zu vergehen. Die morgendliche Rushhour rückte immer näher.
Wir mußten es einfach so versuchen. Schnell verständigten wir uns. Phil ging mit drei Cops nach links. Meine beiden Cops folgten mir nach rechts. Wir verschwanden in den dunklen Tunnelröhren. Nur noch die schwachen Lampen der Notbeleuchtung spiegelten sich in den von ungezählten Laufrädern der Züge blankpolierten Schienen.
Unter unseren Füßen polterten die Schottersteine zwischen den Schwellen. Dunkel hoben sich die Mauervertiefungen der Fluchtnischen von den glatten Wänden ab.
»Vorsicht, Sir«, flüsterte einer der Cops hinter mir her, »die Stromschiene liegt links unter der Holzverkleidung und…«
Ein Heulen wurde hörbar. Leise erst, dann immer lauter, zu einem Donnern anschwellend.
Der scharfe Lichtstrahl eines Handscheinwerfers huschte über die Wände. Die nächste Fluchtnische war knapp sechs Schritte entfernt. Schnell hasteten wir hin, spürten das leichte Beben, das der Zug verursachte, und sahen endlich die Frontlichter. Dann donnerte der Zug auf dem Nebengleis vorüber.
Die akustischen Verhältnisse in diesem Tunnelsystem waren sinnverwirrend. Ich erkannte die große Gefahr. Diesmal hatten wir angenommen, der Zug käme auf unserem Gleis, aber er donnerte auf der anderen Seite vorbei. Beim nächsten Zug konnte es umgekehrt sein. Alles war hier voller tödlicher Gefahren. Die Züge, die aus einer nicht rechtzeitig feststellbaren Richtung kamen. Die Stromschiene. Und zwei Verbrecher, die vielleicht schon mit der Waffe in der Hand auf uns lauerten.
»Hier, Sir — ein Verbindungsschacht«, flüsterte der eine Cop. Eine dunkle Öffnung gähnte in der Wand rechts von mir. »Soll ich mal nachsehen?« fragte er.
»Ich schaue mal rein«, flüsterte ich zurück. »Wissen Sie, wohin der Schacht führen kann?«
»Nein, Sir.«
»Gehen Sie schon mal weiter — ich komme gleich nach!«
»Ja, Sir — wir gehen weiter, hier kommt dann gleich eine Abzweigung. Dort warten wir!«
»Gut«, nickte ich und huschte in den dunklen Schacht. Hier war es feuchter als im Haupttunnel. Vielleicht lag es nur daran, daß hier die Entlüftung schwächer wirkte. Es war unheimlich still. Obwohl die Cops erst ein paar Schritte entfernt sein konnten, fühlte ich mich völlig verlassen und allein in dieser unterirdischen Welt. Ich lehnte mich an die Wand und lauschte. Nichts zu hören.
»Los, kommt schon raus, ihr beiden!« sagte ich laut. Das Echo hallte von den Wänden zurück. Das war aber auch alles. Ich schaltete meine Stablampe an. Ihr Schein huschte über dunkle, feuchte Wände. Nichts.
Und doch war da plötzlich etwas. Ein undefinierbarer Laut. Dann ein Ruf. »Stopp! Stehenbleiben!«
Noch einmal das gleiche. Wenn ich mich nicht täuschte, war das draußen im Haupttunnel, in dem die Cops weitergegangen waren!
Dann war mir noch, als hörte ich einige Schritte. Ich wandte mich um und wollte nach draußen laufen, aber ich blieb noch einen Moment stehen, denn wieder hörte ich eine weit entfernte Stimme. Schon in der nächsten Sekunde war nichts mehr zu hören. Ein Zug kam in den Tunnel. Als er an meinem Seitengang vorüberdonnerte, glaubte ich fast, das Trommelfell müsse mir bersten.
Später im Haupttunnel war von den beiden Cops nichts zu sehen und zu hören.
Ich lief eilig weiter und erreichte die Abzweigung. Es war eine instinktive Entscheidung. Durch den Haupttunnel rasten die Züge. Hier mußte es viel sicherer sein als drüben. Mindestens nachts war dies für einen Kenner ein gutes Versteck.
In diesem Moment fiel mir auf, daß auf dieser Verbindungsstrecke die Lampen der Notbeleuchtung fehlten. Hier war es stockfinster. Und ich war allein. Ich dachte an die beiden Männer. Dynamit und der Sänger.
Bisher hatte ich mit den beiden nichts zu tun gehabt. Doch ich wußte, daß sie einen Kriminalisten der City Police angegriffen und mit einem Messer schwer verletzt hatten. In einem vollbesetzten Lokal!
Hier unten würden sie nicht zaghafter sein. Im Gegenteil. Ich beschäftigte mich mit diesem Gedanken, als mich ein leises, aber doch deutlich wahrnehmbares Geräusch überraschte. Wie vom Donner gerührt blieb ich stehen.
Dann hörte ich es zischeln. Zweifellos eine menschliche Stimme. Es war eine reine Reflexbewegung, daß ich meinen Revolver spannte. Das metallische Knacken tönte unnatürlich laut durch den Tunnel.
»Stopp!« sagte eine Stimme, die ich nicht kannte. Der Mann, der das gesagt hatte, mußte
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