Jerry Cotton - 0593 - Der Tote mit zwei Koepfen
gleichmütig fort: »Außerdem hat dieses Lebewesen eine heute nicht mehr allzu verbreitete Leidenschaft.«
»Nämlich?« fragte Phil gespannt.
»Es priemt«, sagte Danny gelassen. »Es nimmt Kautabak.«
Ich stieß einen leisen Pfiff aus. Das konnte ein äußerst wertvoller Hinweis sein. Phil hatte schon sein Notizbuch gezogen und schrieb sich Stichworte auf.
»Großartig, Danny«, lobte ich. »Damit wird man zu gegebener Zeit etwas anfangen können. Vielen Dank.«
»Wollt ihr den Rest nicht hören?« Wir blieben stehen und machten auf dem Absatz wieder kehrt.
»Was denn noch?« fragte ich.
»Wir haben in getrennten Untersuchungsgängen die Oberfläche des Kartons untersucht. Und dabei haben wir drei sachfremde Substanzen entdeckt. Die können natürlich auch unterwegs drangekommen sein, darüber können wir nichts aussagen. Aber fest steht, daß an dem Karton partiell drei sachfremde Substanzen klebten.«
»Und zwar?«
»Feil- oder Polierspäne von Eisenblech. Zweitens Lackspuren. Und drit- tens drei Haare von einer Siamkatze.«
»Grundgütiger Vater«, stöhnte Phil. »Soll das etwa heißen, daß wir jetzt einen Mann der Blutgruppe B suchen müssen, der priemt, seinen Siamkater mit Eisenspänen füttert und das liebe Tierchen kürzlich neu lackiert hat?«
Danny Lindner strich sich über sein gepflegtes Bärtchen und lächelte überlegen.
»So würde ich das nicht sagen«, meinte er. »Aber warum sucht ihr nicht mal nach einem Mann der Blutgruppe B, der priemt, einen Siamkater oder eine Siamkatze hat und vermutlich in einer Autolackiererei arbeitet, wo es nämlich Lackspuren und Polierspäne von Autoblechen gibt?«
***
Die Ortszeit in Carsonville liegt um eine Stunde hinter der an der Ostküste. In New York gingen die Uhren auf elf Uhr vormittags, in Carsonville dagegen zeigten sie erst auf zehn. Um diese Zeit pflegte Sheriff Craig eine Frühstückspause einzulegen. Er hatte gerade seine Blechbüchse mit den Broten aufgemacht, als Mrs. Crowley in dem kleinen Büro erschien. Craig stand auf und ging der Frau entgegen. Er wußte, was er den Bürgern seiner kleinen Gemeinde schuldig war.
»Hallo, Mrs. Crowley!« grüßte er leutselig. Neben der kleinen Frau von fast fünfzig Jahren wirkte der zweiunddreißig jährige Sheriff wie ein Riese aus dem Bilderbuch. Er rückte der Frau fürsorglich einen Stuhl zurecht. »Setzen Sie sich doch! Möchten Sie einen Kaffee, Mrs. Crowley?«
Die Frau schüttelte den Kopf. Sie trug ein einfaches Baumwollkleid und eine bunte Schürze darüber. Ihrer gebeugten Haltung und den groben Fingern konnte man ansehen, daß sie ein Leben lang hart gearbeitet hatte.
»Nicht, daß Sie mich für eine hysterische Ziege halten, Sheriff«, fing sie an, während sie nervös an ihren Fingern zupfte. »Aber Sie kennen doch Timmy?«
»Natürlich. Ein ruhiger, strebsamer Junge. Er wird vielleicht kein Millionär werden, aber er wird Ihnen ganz sicher niemals ernst zu nehmende Sorgen machen. Für sein Alter ist er schon sehr reif, möchte ich sagen.«
Mrs. Crowley nickte.
»Ja, das ist er. Und er hat es nicht leicht gehabt. Als mein Mann bei dem Unfall in der Kiesgrube umkam, war Timmy gerade erst neun. Aber das älteste von fünf Kindern. Sie wissen, daß ich mich abrackern mußte, um sie alle gut durchzubringen und jeden etwas Ordentliches lernen zu lassen.«
»Das wissen wir alle, Mrs. Crowley, und wir bewundern, wie Sie das geschafft haben.«
»Timmy war mir eine große Hilfe. Aber jetzt habe ich Sorgen um ihn.«
Der Sheriff hatte seine Büchse mit den Broten zugemacht und zurück in den Aktenschrank dicht hinter seinem Schreibtisch gestellt. Die Brote konnten warten. Nachdem er an seinem Kaffeebecher genippt hatte, sagte er in seiner besonnenen, ruhigen Art: »Erzählen Sie mal, Mrs. Crowley. Vielleicht kann ich Ihnen helfen.«
»Timmy wollte nach New York. Es gab keinen Grund, warum ich es ihm hätte verweigern sollen. Der Junge ist achtzehn, und ein junger Mann soll sich ein bißchen Wind um die Nase wehen lassen, finde ich. Es kann keinem schaden, wenn er die Welt auch mal aus einer anderen Richtung als nur aus Carsonville betrachtet.«
Craig lächelte fast ein bißchen wehmütig.
»Es sollten mehr Mütter so vernünftig sein wie Sie, Mrs. Crowley.«
»Ich weiß gar nicht, ob das vernünftig ist, Sheriff. Timmy ist also vorgestern losgezogen. Ich hatte ihm das Nötigste eingepackt. Den Rest .seiner Sachen wollte ich ihm dann schicken, wenn er erst einmal Fuß gefaßt hat.
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