Jerry Cotton - 2907 - Blei ist keine Waehrung
wollte. Er sollte sie erschießen, damit er wegen Mordes an ihr, seiner Schwester, verurteilt wurde. Und damit die Chicago-Boys ihr eigenes Urteil vollstreckten, wenn er wieder in Sing Sing saß.
Nicht so, dachte er. Aber seine Muskeln verkrampften sich.
»Na los, worauf wartest du?«, sagte sie.
***
Miller war zurückgeblieben. »Hinter dem Aufzug rechts. Die letzte Tür links«, hatte er uns undeutlich nachgerufen.
Wir hatten nur noch eine Stablampe. Immerhin. Wo war der Aufzug? Alles war dunkel. Keine funkelnden Signallichter neben einer Lifttür.
»Da«, sagte Phil und ließ den Strahl der Maglite über die braun lackierte Tür gleiten mit der Ruftafel in der Wand daneben, die metallisch aufzuleuchten schien, als der Lichtstrahl sie traf.
Phil huschte geduckt vor, dunkelte den Lichtstrahl kurz mit einer Hand ab. Als er die Hand wegnahm, stieß das Licht in einen kurzen Flur mit zwei Türen auf jeder Seite.
»Frei!«, rief er und sprang vor.
Der Teppichboden dämpfte unsere Schritte.
Jetzt standen wir vor der Tür, die Miller beschrieben hatte. Ein glattes Türblatt mit einer Schlossplatte und einem Knauf, der sich nicht drehen ließ.
Was erwartete uns hier? Eine Falle, die es Miller ermöglichen sollte zu entkommen?
Wir hörten Stimmen. Eine Frau. Nicht laut, aber hoch und angespannt. Eine dunkle Stimme, heiser vor Wut.
Phils Gesicht war nur ein heller Fleck. Ich sah, wie er meine Augen suchte. Er verzog das Gesicht, nickte fragend. Ich nickte zurück. Wir traten einen Schritt zurück und feuerten jeder drei Kugeln in die Schlossplatte, warfen uns zugleich mit den Schultern gegen die Tür, flogen in den Raum, der von den flackernden Signallichtern draußen erhellt wurde.
Ich sprang nach links, Phil nach rechts, die Waffen im Anschlag. Ich versuchte die Lage zu erfassen. Lombardi stand starr mitten im Raum, die Pistole in der erhobenen Hand, ein dünner Rauchfaden hing vor der Mündung. Er musste genau in dem Moment geschossen haben, als wir durch die Tür hereinbrachen.
»Waffe runter!«, schrie Phil.
Ich sprang auf Teresa Peranio zu. Sie stand noch, krümmte sich zusammen, presste eine Hand an die linke Schulter. Ich fing sie auf, als sie zu schwanken begann. Blut quoll zwischen ihren Fingern hervor. Tessa schien Glück gehabt zu haben. Unsere Schüsse gegen die Tür und unser Hereinbrechen hatten Lombardi irritiert. Sein Schuss hatte sie in die Schulter getroffen.
Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Phil Lombardi gegen die Wand rammte.
Ich zerrte mein Funkgerät heraus und rief Steve Dillaggio.
»Wir brauchen Notarzt und Krankenwagen«, sagte ich und gab einen ersten Lagebericht, damit die Aktionen der Feuerwehr abgebrochen werden konnten.
»Jerry!«, rief Phil. Er beugte sich über die zusammengekrümmte Gestalt vor dem rechten Fenster. »Das ist Ronny Hart. Er ist tot.«
***
Nach dem Unwetter der vergangenen Nacht war die Luft klar, warm und trocken. Es war bereits später Nachmittag, als Phil und ich den kurzen Weg über die Federal Plaza vom Büro des Bundesanwalts zurück zu unserem District Office gingen. Zu Fuß.
Bruce Emmett, der für den Mordfall Tony Peranio verantwortliche Federal Attorney, wollte so schnell wie möglich Anklage wegen Anstiftung zum Mord und einer Reihe anderer Verbrechen gegen Joseph Lombardi erheben, bevor ihm die Killer aus Chicago oder Atlantic City zuvorkommen würden.
Lombardi sah blass aus, als wir unseren Bericht beendeten. Ein feuchter Schweißfilm bedeckte seine Stirn, als Emmet sich an ihn wandte.
»Wo bleibt Ihr Anwalt?«, fragte er.
Lombardi hob nur die Schultern.
»Der kommt wohl nicht, oder?«
»Mister Lombardi hat nämlich kein Geld mehr«, erklärte der Assistent des Federal Attorney.
Und weil sich das herumgesprochen hatte, gaben Zeugen ihre Zurückhaltung auf. Mr Miller zum Beispiel. Miller befand sich auf freiem Fuß. Dass der Bundesanwalt dem ehemaligen Cop erhebliche Zusagen machen musste, erwähnte er an dieser Stelle nicht,
Luis Vaccaro war noch in der Nacht am Knie operiert worden. Gegen ihn wurde ebenfalls ermittelt, doch als Zeuge gegen Lombardi würde er wohl nicht in Frage kommen, vermutete ich. Vaccaro galt als Lombardis letzter Getreuer.
Der Federal Attorney kündigte an, auf eine Anklage gegen Teresa Peranio verzichten zu wollen. Sie hatte Ronny Hart in Notwehr erschossen. Die Tatortermittler hatten den Ablauf nachgezeichnet und diese Version bestätigt.
Michele Peranio hielt sich bei seiner Mutter auf. Sie lag noch im
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