Jerry Cotton - 2914 - Der Geruch der Angst
eingeschlossen.«
Durch den Lärm neugierig geworden, lugten Schwestern und Ärzte aus den OPs. »Was befindet sich hinter dieser Tür?«, fragte ich eine von ihnen. Durch den dünnen Streifen Glas, der einen Blick ins Innere des Raumes gestattete, konnte ich nur Slotnicks Rücken sehen.
»Das ist der Waschraum für die Ärzte und OP-Schwestern«, antwortete jemand.
Ich schaute wieder durch das Fenster. Slotnick beugte sich über ein Waschbecken. Ich hämmerte gegen die Tür. »Kommen Sie heraus!«
»Was tut er denn da drinnen?«, flüsterte ein Arzt. Dasselbe fragte ich mich auch.
Slotnick bediente den Wasserhahn und ich hörte Wasser rauschen. Es sah aus, als würde er sich die Hände waschen. »Moment mal bitte.« Ein kleiner Mann schob uns unsanft zur Seite. Er trug eine dicke Brille und wirkte sehr gewichtig. Wir ließen ihn gewähren.
»Hannes, hier ist Professor Paulson. Öffnen Sie sofort die Tür.« Die Autorität des Professors war unüberhörbar. Auch für Slotnick. Er drehte sich um, wischte seine Hände an der OP-Kleidung ab und kam langsam zur Tür.
***
Slotnick trug noch immer seine grüne OP-Kleidung. Nach der Aktion im Krankenhaus hatten wir ihm keine Möglichkeit gegeben, sich umzuziehen.
»Sie wissen schon, wie verdächtig das ist, wenn Sie weglaufen, sobald Sie uns sehen.« Phil und ich saßen ihm gegenüber.
»Bin ich verhaftet?«, fragte er.
»Noch nicht. Aber wenn Sie nicht mit uns reden, holen wir das nach.« Ich war nicht gerade bester Laune.
»Also«, fragte Phil. »Warum sind Sie abgehauen?«
Slotnick lachte heiser. »Haben Sie eine Ahnung, wie einschüchternd Sie beide aussehen?«
Wir lachten trocken zurück. »Und da mussten Sie sich noch schnell die Hände waschen?«
»Eigentlich wollte ich auf die Toilette, aber dorthin habe ich es nicht mehr geschafft.« Er grinste schief.
Slotnicks Auftreten war anders als sonst. Diese frechen Sprüche, das unüberlegte Verhalten. All das passte nicht zu dem Mann, den wir kennengelernt hatten.
»Haben Sie etwas eingeworfen?«, fragte ich.
Er lachte laut, antwortete aber nicht. Müde rieb er sich die Augen. »Was werfen Sie mir denn vor?«
Ich schob den Beweismittelbeutel über den Tisch. »Diese Spritze stammt aus Kims Krankenzimmer. Ihre Fingerabdrücke befinden sich darauf.«
Tief durchatmend sagte Slotnick: »Wenn die aus Mister Kims Zimmer stammt, ist das kein Wunder. Ich bin sein behandelnder Arzt.«
»Wissen Sie, was sich in der Spritze befand?«
Er griff nach dem Beweismittelbeutel und betrachtete den Inhalt genauer. »Auf dem Zylinder ist kein Etikett. Das ist ungewöhnlich.« Er legte die Tüte wieder auf den Tisch. »Nein, ich weiß nicht, was sich in der Spritze befand. Wenn ich mich recht erinnere, habe ich Kim drei Mal Haldol gespritzt. Jeweils fünf Milligramm.«
Rileys Funde stützten diese Aussage.
»Aber in dieser Spritze war kein Haldol.«
»Sag ich doch. Wenn Haldol in dieser Spritze gewesen wäre, dann würde ein Aufkleber mit dem Namen des Medikaments auf dem Zylinder kleben. Außerdem hat diese Spritze ein Fassungsvolumen von mehr als 50 Milliliter.«
»Das sehen wir auch«, sagte Phil.
Eine Schweißperle bildete sich auf Slotnicks Stirn. »Sie ist viel zu groß. Diese Spritze habe ich nicht benutzt. Darin befand sich kein Haldol aus unserem Krankenhaus.«
»Das ist richtig, Dr. Slotnick. In dieser Spritze befand sich kein Haldol. Sie war leer.«
Er lachte heiser. »Und warum dann dieses Frage-Antwort-Spiel? Ich dachte schon, Sie wollen mir den Tod von Kim in die Schuhe schieben.«
Phil und ich warfen uns einen Blick zu. Der Kerl war schlau. »Haben Sie eine Ahnung, woran Kim gestorben ist?« Ich blickte ihn scheinbar freundlich an.
»Nein«, knurrte Slotnick. »Bevor ich ihn untersuchen konnte, wurde sein Leichnam von Ihrem Kollegen konfisziert.«
»Er starb an einer Lungenembolie«, sagte Phil trocken.
Slotnick verstand nicht. »Das ist unmöglich. Während der OP ist keine Luft in seinen Blutkreislauf eingedrungen.«
Ich warf einen vielsagenden Blick auf die Beweismitteltüte.
Plötzlich verstand er. »Ihm wurde Luft in den venösen Zugang gespritzt? Deswegen auch diese große Spritze!« Er nahm den Beweismittelbeutel erneut in die Hand. »Man benötigt viel Luft, um eine Lungenembolie auszulösen. Wahrscheinlich wurde die Spritze gleich zwei Mal mit Luft gefüllt.« Seine Stimme hatte einen bewundernden Klang. »Da Kim unter dem Einfluss von Haldol tief und fest schlief, konnte er sich nicht
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