Jerry Cotton - 2916 - Das Marlin-Projekt
irgendwo auf der Welt irgendeinen Anschlag, ohne dass die Öffentlichkeit etwas davon erfährt. Aber wem sage ich das? Das wissen Sie ja genauso gut wie ich. Ist ja auch Ihr Business. Bloß: Wir wissen ja auch, dass es trotzdem irgendwann wieder passieren wird. Allerdings wäre es extrem ärgerlich und ein Gesichtsverlust, der nicht wiedergutzumachen wäre, wenn man uns bloßstellen würde, indem man uns erst ein neues Torpedo klaut und damit dann auch noch eins unserer Schiffe versenkt.«
»Verstehe«, sagte ich nickend, »das Image der Weltmacht, der selbst ein Osama bin Laden nicht entkommen kann, ist da schon besser.«
»Sie sagen es«, gab White zurück. »Und es kommt ja noch ein Problem dazu: Solange wir keine Ahnung haben, wer als Drahtzieher hinter dieser ganzen Torpedo-Sache steckt, müssen wir von ganz verschiedenen Szenarien ausgehen. Das macht unsere Aufgabe nicht einfacher.«
»Welche Szenarien zum Beispiel?«, fragte Phil.
White zählte auf: »Na ja, da können Sie selbst drauf kommen: Erpressung durch Bedrohung von Kriegsschiffen, von Fracht- oder sogar Passagierdampfern. Verkauf des Waffensystems an Piraten vor der ostafrikanischen Küste, die dann wieder schalten und walten könnten, wie sie wollten, wenn sie über solch moderne Technologie verfügten. Oder: Der neue Besitzer verkauft die Technik einfach meistbietend weiter. Dann landen die Torpedos wahrscheinlich in Ländern, in deren Händen wir diese hypermodernen Marinewaffen lieber nicht sehen wollen.«
All das klang plausibel, und mir persönlich schmeckte keine der Vorstellungen. Ich grübelte noch, um die Tragweite der Gefahr ganz und gar zu verstehen, als mich der Klingelton meines Handys aus den Gedanken riss. Eine Frauenstimme meldete sich. »Lucinda Lords vom Economy Tomorrow Magazine. Mister Cotton, mein Kollege Mister Silver möchte gern mit Ihnen sprechen. Ich verbinde.«
Ich bedankte mich. Ein kurzes Knacken in der Leitung. Dann die vertraute Stimme: »Jerry, hier ist Todd. Sie hatten sich nach der Fundex -Stiftung erkundigt.«
»Hallo, Todd. Ja, das ist richtig. Haben Sie schon etwas in Erfahrung gebracht?«
»Ja, ein bisschen was habe ich. Und das klingt schon höchst interessant. Diese Stiftung taucht öffentlich so gut wie nirgendwo auf. Aber sie scheint einen gewissen Ruf zu besitzen. In dieser Stiftung haben sich nicht gerade die Ritter zur Rettung des US-amerikanischen Traums versammelt. Und das weiß ich auch nur, weil Pauly Appleton, ein Mitarbeiter unserer Redaktion, der kurz vor der Rente steht, vor Jahren mal extrem lange zum Thema Fundex recherchiert und zufällig mitbekommen hat, dass ich mich jetzt auch für Fundex interessiere.«
»Verstehe. Und was ist nun mit der Stiftung? Wer steckt dahinter? Was tut sie so?«
»Alles supergeheim, Jerry«, sagte Todd Silver, »ich habe offiziell fast nichts rausgefunden. Aber Pauly Appleton wusste ein bisschen was. Die Stiftung hat ihren Sitz in Vanuatu. Das ist ein Steuerparadies im Pazifik, irgendwo da unten bei Australien. Die Stiftung hat in den letzten zehn Jahren mehrmals gegen internationales Recht verstoßen. Es gab öfters Probleme wegen Zollgeschichten, aber es gab vor allem einen Fall, der für Sie von besonderem Interesse sein dürfte, Jerry.«
»Raus damit – was ist es?«
»Die Fundex -Stiftung hat ein paar Mal versucht, das Handelsembargo gegenüber dem Iran zu unterlaufen. In den Iran scheinen sie gute Kontakte zu unterhalten.«
Ich blickte zu Mr White auf, als ich wiederholte: »Also keine Terroristen, sondern der Iran?!«
***
Les Bedell spurtete die Treppe hoch. Er hoffte auf ein besseres Schussfeld vom oberen Stockwerk aus, um es den unsichtbaren Gegnern ein bisschen schwerer zu machen. Er betrat den erstbesten Raum und verschaffte sich einen Überblick. Wer auch immer eben geschossen hatte, saß gut getarnt irgendwo in einem der vielen Gärten oder in einem der benachbarten Häuser. Von hier aus Sperrfeuer zu geben, um Joe unten zu unterstützen, war eine haarige Sache. Wahrscheinlich liefen da draußen zu viele Unbeteiligte herum. Das wusste der versteckte Schütze natürlich auch.
Joe hatte inzwischen Cassia Haigh aus dem Zimmer in den Flur geschoben und geraten, ihrer Mutter in den Keller zu folgen. Danach hatte er über Funk im Field Office Meldung über die Lage gemacht. Jetzt drückte er sich eng an die Wand neben dem geborstenen Fenster.
Mit dem Lauf seines .357-Magnum-Revolvers, einem Überbleibsel aus seiner Zeit als Captain beim New
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