Jerry Cotton - 2918 - Der Blackout-Plan
beiden. Er hat mir schon manchmal aus der Patsche geholfen und manchmal auch an meiner Hardware herumgeschraubt, wenn da irgendetwas nicht mehr so funktionierte, wie es eigentlich sein sollte.«
»Aber heute hatte Chase Morton offenbar etwas anderes vor«, stellte Phil fest.
»Scheiße, ja, er hatte mir versprochen, sich endlich um die Sache mit dem Virus zu kümmern, und da haut der einfach ab und lässt mich im Stich, der Sack.« Er machte eine Pause. »Naja, über Tote soll man ja nicht schlecht reden.«
»Wann war das genau, als Sie ihn zuletzt gesehen haben?«
»Das ist noch nicht lange her. Vielleicht eine Stunde. Oder vielleicht auch zwei …« Er kratzte sich am Kopf. »Ich habe ein schlechtes Zeitgefühl, wissen Sie.«
»Sie haben nicht zufällig auf die Uhr gesehen?«
»Nein. Ich hab keine Uhr. Ich kann das nicht am Handgelenk haben. Das fühlt sich an wie eine Sklavenkette, verstehen Sie?«
Ich vermutete, dass er was eingenommen hatte, was seinen Zeitsinn stark beeinträchtigt hatte. Und es stellte sich die Frage, welcher Wert seiner Zeugenaussage insgesamt beizumessen war. Ich vermutete, dass er außer Kokain auch noch starke Medikamente nahm.
Phil telefonierte inzwischen mit den Kollegen der Scientific Research Division, damit jemand abgestellt wurde, der sich um Chase Mortons Wohnung kümmerte.
»Die Kollegen meinten, dass Chase Morton eine Waffe bei sich hatte«, stellte Phil fest, nachdem das Gespräch beendet war. »Jedenfalls hatte er Munition für einen .38er bei sich. Die Waffe selbst fehlt aber.«
»Hat vermutlich der Täter«, meinte ich.
Wir verließen mit Randy Brackman die Wohnung von Chase Morton. Ein Kollege der SRD kam herauf und ich wies ihn auf den Schlüssel in der Tür und das Blut daran hin.
»Ich kümmere mich darum«, versprach der Erkennungsdienstler.
***
Wir kehrten zum Tatort zurück. Die Leiche war inzwischen abtransportiert worden. Dr. Heinz meinte, dass die Verletzung, die zu Chase Mortons Tod geführt hatte, durch ein Messer entstanden war. »Ein Kampf- oder Jagdmesser. Ich werde mal bei der Obduktion genauer untersuchen, ob sich da vielleicht bestimmte Merkmale irgendeiner Kampftechnik ausmachen lassen. Aber da kann ich natürlich nichts versprechen.«
»Wann wissen Sie Genaueres?«, fragte ich.
»Wie immer: In zwei bis drei Stunden, gerechnet von dem Zeitpunkt, an dem mir die Leiche im gerichtsmedizinischen Institut der SRD zur Verfügung steht.«
»Dann geben Sie uns bitte sofort Bescheid. Jeder Hinweis kann uns weiterhelfen.«
Phil stieß mich an. »Sieh mal, wer da kommt«, murmelte er.
Zu meinem Erstaunen sah ich Melanie Morton. Die Augen waren schmal und gerötet. Das Gesicht wirkte zornig. Sie ging geradewegs auf uns zu. Den Hinweis eines SRD-Kollegen, doch bitte keinen Schritt weiterzugehen, weil sie über eine der markierten, blutigen Fußspuren lief, die noch nicht hatten zugeordnet werden können, ignorierte sie einfach.
Ihr Blick durchbohrte mich förmlich. »So sieht das also aus, wenn das FBI einem hilft«, zischte sie zwischen den Lippen hindurch, während sich ihr Mund kaum bewegte.
»Ma’am, ich …«
»Sie können das nicht entschuldigen, Agent Cotton! Ich dachte, Sie könnten meinem Bruder helfen! Stattdessen muss ich jetzt erfahren, dass er umgebracht wurde. Und ich hatte doch tatsächlich schon den Eindruck, dass man Ihnen vielleicht trauen könnte, aber Chase hatte wohl recht! Diese Staatsdiener sind doch alle gleich!«
»Hören Sie zu! Wir hätten Ihrem Bruder gerne geholfen, aber dazu wurden wir offenbar zu spät eingeschaltet. Er wurde kurz bevor wir hier eintrafen ermordet, und mich würde jetzt brennend interessieren, wer Sie davon in Kenntnis gesetzt hat!«
Sie hob das Kinn. »Ach, wirklich? Warum sollte ich überhaupt noch irgendein einziges Wort mit Ihnen oder einem anderen G-man reden – jetzt, da mein Bruder tot ist!«
»Sie werden mit mir reden, weil ich denke, dass Sie genau wie wir daran interessiert sind, dass der Mörder von Chase Morton nicht ungeschoren davonkommt.«
»Ach – interessiert Sie das denn überhaupt?«
»Allerdings!«
Ich trat auf sie zu und versuchte sie etwas zu beruhigen.
»Es scheint so zu sein, wie Sie schon sagten: Ihr Bruder ist in Dinge hineingeraten, die zu groß für ihn waren. Und jetzt geht es darum, die Schuldigen zur Rechenschaft zu ziehen und vor allem zu verhindern, dass es in der Zukunft weitere Opfer gibt.«
»Ach, daher weht der Wind. Es geht Ihnen gar nicht um meinen
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