Jerry Cotton - 2924 - Ein eiskalter Deal
Brief können unverfänglich abgefasst und schnell vernichtet werden, eine E-Mail oder ein Telefonat hingegen sind auch noch nach Jahren zum Absender zurückzuverfolgen.«
Es gab also eine direkte Verbindung von Zhang Yan zu Doris Finzacker und von ihr zu Frank Baumann.
»Kennen Sie diesen Mann, sein Name war Frank Baumann, er wurde zusammen mit Do ermordet«, setzte ich das Gespräch fort und schob Yi-Me ein Foto des ermordeten Deutschen zu.
Sie sah es aufmerksam an und schüttelte dann den Kopf.
»Sind Sie sicher? Zhang Yan könnte nur deshalb in der Stadt sein, weil er sich mit jemandem treffen will, vielleicht mit diesem Mann.«
»Nein, den habe ich nie gesehen. Zhang trifft sich am Samstag tatsächlich mit einem möglichen Geschäftspartner. Aber der kommt aus Texas und ist wesentlich älter als Ihr Toter. Ich weiß es genau, denn wenn die beiden handelseinig sind, werde ich Zhang Yans Geschenk an den Amerikaner sein.«
Sie sagte es ohne Bedauern, ohne Emotionen. So als sei etwas in ihr abgestorben. »Dieser Texaner ist ganz versessen darauf, mich kennenzulernen. Aus diesem Grund bin ich bis jetzt auch relativ sicher, Zhang Yan würde dieses Geschäft nicht gefährden. Man hat mich bereits gefragt, ob ich mich mit zwei Männern im Teesalon getroffen habe. Ich konnte es überzeugend abstreiten.«
»Die beiden Chinesen, die uns überfallen haben, haben Sie wohl beschattet«, sagte ich. »Wir wissen über Zhang Yan und seine Waffengeschäfte Bescheid. Er wird übermorgen eine Party veranstalten, auf der wir gerne dabei wären. Wir suchen zwei Männer, die uns angegriffen haben und die vermutlich Mai-Lin getötet haben. Können Sie uns einschleusen?«
Yi-Me schaute versonnen in ihren Drink, in dem gerade ein Eiswürfel knackte. »Das geht leider nicht, Zhang Yan würde niemals dulden, dass jemand wie ich Leute zu einer seiner Partys einlädt. Aber ich denke, ich kann Ihnen trotzdem helfen. Sagen Sie mir alles, was Sie über die beiden mutmaßlichen Mörder wissen, und ich werde versuchen, sie im Gefolge von Zhang ausfindig zu machen.«
»Wir haben eine Aufnahme vom Telefonat mit Mai-Lin. Sie hat mich angerufen in dem Moment, in dem in Ihre gemeinsame Wohnung eingebrochen wurde. Hören Sie sich das Band an, vielleicht erkennen Sie ja die Stimme, einer der beiden hat etwas gesagt, bevor die Verbindung abbrach. Es ist nicht viel, aber es kann helfen«, schlug ich vor und legte mein Mobiltelefon auf den Tisch. Ich hatte die Wiedergabe auf den Punkt eingestellt, an dem die beiden Fremden in das Apartment von Mai-Lin eingedrungen waren.
»Schaffen Sie das?«
Yi-Me biss sich auf die Lippen, dann nickte sie.
Ich spulte das kleine Stück ab. Als Yi-Me ihre Freundin schreien hörte, wich der letzte Rest Farbe aus ihrem Gesicht. Dazwischen ertönte eine Stimme, abgehackt zischte ein Mann etwas auf Chinesisch. Dann fiel Mai-Lins Telefon zu Boden und die Verbindung brach ab.
Yi-Me schwankte auf dem cremefarbenen Sofa, und Phil hatte sich bereits halb erhoben, um sie aufzufangen. Doch die junge Chinesin brach nicht zusammen. Sie gab sich einen Ruck und sah mich an. Jetzt war sie ganz auf unserer Seite, sie würde uns helfen, daran bestand für mich kein Zweifel mehr.
»Was hat er gesagt?«, wollte Phil von ihr wissen.
»Er hat Mai-Lin beschimpft.«
»Kennen Sie die Stimme?«
»Ja, Agent Decker. Ich bin mir fast ganz sicher. Es handelt sich um jemanden aus der Entourage von Zhang Yan.«
»Dann müssen wir jetzt nur noch den zweiten Mann finden.«
»Der, dessen Stimme ich gehört habe, arbeitet fast ausschließlich mit einem bestimmten anderen Mann zusammen. Ich kenne auch ihn.«
»Wir müssen uns ganz sicher sein, bevor wir handeln«, warf ich ein.
»Wir könnten Sie mit einer Minikamera ausstatten«, murmelte Phil, an Gu Yi-Me gewandt. »Etwas, das Sie bei der Party wie eine Brosche anstecken und das uns Fotos sendet, sobald Sie einen versteckten Mechanismus auslösen. Trauen Sie sich das zu?«
»Was habe ich zu verlieren?«
»Gut, dann leiten wir den technischen Teil der Mission in die Wege. Eine unserer Kolleginnen wird Sie mit der Handhabung des Senders vertraut machen. Sie ruft Sie an.«
Wir verließen das Separee als Erste, nicht ohne Yi-Me für ihre Kooperationsbereitschaft gedankt zu haben. Dann fuhren wir nach Tribeca.
***
Angelica hatte uns eine Adresse in der Franklin Street genannt. Dort stand ein fünfstöckiges, breites Gebäude aus rotbraunem Stein, mit großen, tief gezogenen Fenstern, in
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