Jerry Cotton - Folge 2860 - Cotton, J: Jerry Cotton - Folge 2860
»Er saß mit uns im Verhörraum, während Julie Warden niedergeschossen wurde.«
»Wir müssen das Motiv finden, Phil. Vielleicht steckte ja Julie Warden in Schwierigkeiten, die gar nichts mit Einauge zu tun hatten. Falls das so ist, dann muss die Untersuchung in eine ganz andere Richtung gehen.«
»Wo du recht hast, hast du recht, Jerry.«
Den Augenzeugen der Bluttat konnten wir auch nicht mehr Informationen entlocken als unsere NYPD-Kollegen. Es waren mehrere Passanten, unter ihnen ein Fahrrad-Kurier.
»Ich hätte den Kerl einholen können, G-man«, sagte der schreckensbleiche Bursche mit dem Fahrradhelm zu mir. »Ich bin verflixt schnell auf meinem Bike, das können Sie mir glauben. Aber es ging nicht, ich war vor Schreck wie gelähmt. Ich habe noch nie mit ansehen müssen, wie ein Mensch stirbt.«
»Es ist gut, dass Sie nicht den Helden gespielt haben«, sagte ich beruhigend. »Außerdem müssen Sie sich nicht dafür schämen, dass Sie geschockt waren. Das ist eine vollkommen normale Reaktion.«
***
Auch den anderen Zeugen konnten wir keine genauere Beschreibung des Flüchtenden entlocken. Daraufhin sagten wir den NYPD-Kollegen Goodbye und verließen die Stätte der feigen Bluttat. Phil und ich gingen zu dem Buchführungsservice Taxco , der nur einen Steinwurf vom Tatort entfernt in einem unauffälligen Bürogebäude angesiedelt war. Dort hatte die Ermordete gearbeitet.
Julie Wardens Boss und ihre Kollegen hatten inzwischen mitbekommen, was geschehen war. Der Tatort wurde von Gaffern umlagert, und ein Kamerateam eines Lokalsenders hatte schon die ersten Sensationsberichte verzapft. Die New Yorker Medien hatten wieder ihre neueste blutige Kriminalstory.
Der Buchführungsservice machte einen biederen Eindruck, die Angestellten wirkten blass und farblos. Natürlich würden wir die Aktivitäten der Firma durchleuchten. Aber auf den ersten Blick sah es nicht so aus, als ob hier jemand Dreck am Stecken hatte. Mit der Zeit entwickelt man als G-man einen sechsten Sinn für dunkle Machenschaften, obwohl natürlich vor Gericht nur eindeutige Beweise Bestand haben.
»Wer kann Julie Warden nach dem Leben getrachtet haben? Hatte sie mit jemandem Ärger? Gab es einen Ex-Freund, der sie bedrängt hat?«
Diese Fragen stellten Phil und ich allen Anwesenden am Arbeitsplatz des Mordopfers. Die Menschen sahen verwirrt aus, einige Frauen weinten. Keiner konnte sich vorstellen, warum jemand etwas gegen die junge Frau gehabt haben sollte.
»Auf mich wirken die Arbeitskollegen glaubhaft«, meinte ich, als wir uns wenig später in einem nahe gelegenen Diner eine kurze Pause gönnten. Wir kauten lustlos auf unseren Cheeseburgern herum, der zweite Mord hatte uns gründlich den Tag verdorben. Aber wir mussten etwas essen, um fit zu bleiben.
»Stimmt genau, Jerry. Im Büro weiß niemand etwas, das uns weiterbringt. In ihrem Job war Julie Warden offenbar total unauffällig. Aber du weißt ja: Stille Wasser sind tief. Vielleicht gibt es ja doch eine Verbindung zwischen ihr und Einauge, die sie sorgfältig geheim gehalten hat. Ich meine, Julie arbeitete bei einem Buchführungsservice. Wenn sie nun Mittel und Wege gefunden hat, um Einauges bei dem Geldtransport erbeuteten Dollars weißzuwaschen?«
Ich nickte zustimmend. Das war eine plausible Möglichkeit. Jeder Verbrecher, der illegale Dollars in die Hände bekommt, steht vor demselben Problem. Wie soll er nach außen hin den plötzlichen Geldsegen erklären? Genau deshalb ist ja Geldwäsche für die Unterwelt ein ständiges Dauerthema. Damit kann man inzwischen mehr verdienen als mit so manchem Gewaltverbrechen.
Wir erfuhren von Julie Wardens Boss, dass sie in einem Apartment in Morningside Heights gelebt hatte. Wir fuhren dorthin und zeigten dem Doorman unsere FBI-Marken. Der Graubart in der Uniform eines Operettenadmirals war bestürzt, als er durch uns vom Tod der Mieterin erfuhr.
»Julie Warden wurde erschossen? So eine verfluchte Schande, G-men. Sie war eine nette junge Lady, immer freundlich und höflich zu mir. Ehrlich gesagt hätte ich eher ihrer Mitbewohnerin Megan Finney so ein gewaltsames Ende zugetraut.«
»Wieso?«, hakte ich nach. Der Doorman druckste herum, als ob er seine Worte schon bereuen würde. Aber dann fasste er sich doch ein Herz.
»Weil Megan Finney mit zwielichtigen Typen verkehrt. – Jedenfalls hatte ich mit Julie Warden niemals Ärger, während ich wegen Megan Finneys Besuchern schon öfter die Cops rufen musste. Ich werde drei Kreuze schlagen,
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