Jerry Cotton - Folge 2860 - Cotton, J: Jerry Cotton - Folge 2860
nicht. Okay, Julie mochte ihn nicht, und das beruhte auf Gegenseitigkeit. Sie war halt etwas spießig und langweilig, und mein Freund ist ein wilder Bursche. Da gab es ab und zu ein paar kleine Reibereien. Aber deshalb bringt man doch nicht gleich jemanden um.«
»Ich habe ja noch nicht mal eine Bleispritze«, meldete sich nun der mit Handschellen Gefesselte zu Wort. Von seiner ruppigen Fassade war nicht viel übrig geblieben. Wenig später kehrte Phil zurück. Ein Blick in das enttäuschte Gesicht meines Partners reichte mir.
»Megan Finney und dieser Pete haben schon ins Whiskyglas geschaut, während Julie Warden niedergeschossen wurde.«
Das hatte ich mir schon gedacht. Ich wandte mich an den Betrunkenen.
»Ich nehme Ihnen jetzt die Handschellen ab, wenn Sie sich ab sofort anständig aufführen und keinen Ärger mehr machen.«
Pete gelobte Besserung, und er benahm sich nun auch wirklich vernünftig. Wir versuchten, aus ihm und seiner Freundin so viele Informationen wie möglich herauszuholen. Ich zeigte Megan und Pete Fotos von Keith Garland alias Einauge, außerdem Aufnahmen von Nick Addison, Aaron Calhoun und der Maklerin Emily O’Connor. Sie behaupteten, keine der Personen zu kennen. Ich fand das angetrunkene Duo glaubwürdig.
Es wurde deutlich, dass die beiden Mitbewohnerinnen Megan und Julie nicht viel voneinander gewusst hatten. Sie teilten ihr Apartment nicht aus Freundschaft, sondern weil beide knapp bei Kasse waren. Julie Warden hatte als Teilzeit-Bürokraft gewiss finanziell keine großen Sprünge machen können. Megan Finney arbeitete bei einer Zeitarbeits-Firma und wartete momentan auf ihren nächsten Einsatz. Das Geld reichte offenbar gerade eben für Schnaps und Zigaretten.
Wir verzichteten auf eine Anzeige gegen Pete wegen des Angriffs auf Bundesbeamte. Ich ließ im Apartment meine Visitenkarte zurück. Allerdings erwartete ich im Grunde keinen entscheidenden Hinweis von Megan Finney.
Als wir zum Jaguar gingen, klingelte mein Handy. Ein Kollege von der SRD teilte mir mit, dass die Projektile aus derselben Waffe abgefeuert worden waren. Nun bestätigte sich unser Verdacht: Einauge und Julie Warden waren höchstwahrscheinlich von demselben Täter umgebracht worden.
»Was für ein lausiger Tag«, schimpfte Phil.
»Und er ist noch nicht zu Ende«, fügte ich hinzu.
***
Unser Chef beauftragte June Clark und Blair Duvall damit, die Jamie-Hackett-Spur weiterzuverfolgen. Wenn wir Pech hatten, würde der Richter beim Haftprüfungstermin am nächsten Tag unseren Verdächtigen auf freien Fuß setzen. Allerdings war Hackett auf keinen Fall der Killer von Julie Warden. Aber wir hielten es für vorstellbar, dass er den Mörder kannte. Wir konnten es uns nicht leisten, auch nur die geringste Chance zu vernachlässigen.
Phil und ich hingegen konzentrierten uns auf Aaron Calhoun. Er war der letzte von Einauges Geldtransport-Komplizen, der sich noch auf freiem Fuß befand. Und so kam es, dass wir am späten Abend in einem alten Chevrolet aus dem FBI-Fuhrpark nach Alphabet City fuhren. Mein Jaguar wäre für eine Beschattung in dieser Gegend zu auffällig gewesen.
Natürlich hatten wir unsere Hausaufgaben gemacht und uns zuvor mit dem Sittendezernat des zuständigen Ninth Precinct kurzgeschlossen. Daher wussten wir, auf welchem Abschnitt der Avenue C die Bordsteinschwalbe namens Lizzy auf Kundenfang ging.
Aus der NCIC-Datenbank hatten wir ein erkennungsdienstliches Foto der Frau heruntergeladen. Elizabeth Gregory alias Lizzy war vor 25 Jahren in Pennsylvania geboren worden. Sie hatte bereits zwei Verurteilungen wegen Prostitution auf dem Kerbholz. Trotzdem konnte oder wollte sie offenbar nicht von ihrer horizontalen Tätigkeit ablassen. Wer einmal in diesem Milieu gelandet ist, kommt dort nur sehr schwer wieder heraus. Das hatten wir schon bei vielen Prostituierten feststellen müssen.
Die junge Lady mit der blonden Löwenmähne und dem superkurzen Minirock, die vor einem Elektronikgeschäft auf und ab spazierte, war zweifellos Lizzy. Zwar hatte sie auf dem erkennungsdienstlichen Foto eine andere Frisur, aber ansonsten hatte sie sich gut gehalten. Das war umso bemerkenswerter, weil Frauen in der Rotlicht-Szene normalerweise schnell altern.
Wir hatten in unserem geparkten Chevy Position bezogen. Unser Fahrzeug stand im Halbdunkel unter einer defekten Straßenlaterne. Wir befanden uns ungefähr fünfzehn Yards von der Prostituierten entfernt.
Einige ihrer Kolleginnen gingen rechts und links von Lizzy
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