Jerusalem
Seldschuken in polternden Galopp überging. Ein Schrei ertönte und pflanzte sich fort: »Deus lo vult!«
Hinter den ersten hundert Reitern, die mit gefällten Lanzen nach rechts schwenkten, entstand ein zweiter Keil, dessen Ziel der linke Hügel war. Hinter den Spitzen des Heeres verbreiterte sich die Menge der Angreifer, fächerte sich auf, wurde schneller, und die Sonne, die zur rechten Seite der Ebene in den frühen Abend sank, spiegelte sich hüben und drüben auf Abertausenden blitzender Waffen. Die Krieger begannen zu schreien, obwohl sie ihren Atem zum Rennen und Reiten brauchten, und wieder schien sich der Himmel zu verdunkeln, als die Seldschuken eine gewaltige Hagelwolke aus Pfeilen schräg in die Luft schossen, der nach einem Dutzend Herzschlägen ein zweiter Schauer folgte.
»Toulouse! Toulouse!«
Schilde, Helme und wirbelnde Schwerter fingen die Einschläge ab. Noch bevor das Entsetzen über verwundete Reiter und strauchelnde Pferde um sich griff, hatte sich der Abstand zwischen den Heeren verringert - Bohemund und sein Gefolge, Robert von der Normandie, Bischof Adhemars kleines Heer, Raimund von Saint-Gilles' gepanzerte Reiter und Gottfrieds Gefolge durchbrachen wie blitzende Pflugscharen die ersten Reihen der Seldschuken. Die Kämpfe Mann gegen Mann brachen aus.
Tatikios führte seine Reiter am äußersten Rand der Ebene nach links. Die schnellen Pferde galoppierten, anscheinend von den Seldschuken unbemerkt, mit deutlichem Abstand von der linken Flanke der Ritterheere, zwischen Feldern und Waldrändern, entlang des Schilfstreifens eines versumpften Baches, auf die islamischen Krieger zu. Die Späher hatten die Fahnen und Zeichen des seldschukischen Emirs Hassan erkannt, der den linken Hügel besetzt hielt. Die Seldschuken erwarteten den Angriff aus der Ebene, nicht vom Waldrand her. Berenger, Rutgar und Chersala spannten ihre normannischen Bogen und zielten besonders gewissenhaft, als sie an der Seite der Seldschuken scheinbar aus dem Nichts auftauchten. Jedes zweite Geschoss traf sein Ziel. Die Kundschafter preschten, tief neben die Pferdehälse gebeugt, an den seldschukischen Reitern vorbei und durch deren Reihen hindurch und wendeten die Pferde weit im Rücken der »Sarazenen«.
Berenger zog sein Schwert, Rutgar zerrte den Morgenstern aus der Schlaufe, und Chersala fing im Galopp den vollen Köcher auf, den ihr ein Kundschafter zuwarf. Rutgar hatte sie gedrängt, sich vom dichten Kampfgetümmel fernzuhalten. Sie gehorchte und gebrauchte ihre Waffen überlegt, ohne sich zu gefährden. Aber die Schreie, die Rutgar nicht verstand und die durch die Reihen der Seldschuken gellten, klangen nicht nach Angriffswut oder Heldenmut. Einzelne verwundete Reiter, aus dem Sattel geschossene Krieger, losgerissene Pferde zuerst, dann kleine Gruppen Verwundeter, wandten sich hierhin und dorthin und versuchten, in die Richtung der Stadt zu flüchten. Rutgar kämpfte sich in weiten Sprüngen, im Galopp und indem sein Pferd sich schnell im Kreis drehte und bisweilen ausschlug oder hochstieg, durch muslimische Krieger, die mit geschwungenen Schwertern auf ihn eindrangen. Die Stachelkugel am Ende der Kette schlug gegen dröhnende Schilde, Helme und Lederpanzer, prellte Schwerter aus den Händen der Krieger, traf ihre Schultern und Rücken und schmetterte sie aus den Sätteln, und aus dem Augenwinkel sah Rutgar seinen Freund, der mit seinem langen Schwert auf ähnliche Weise kämpfte.
Auch vor ihnen flüchteten die Reiter. Pferde überschlugen sich und schleuderten schreiende und blutende Männer aus den Sätteln. Von rechts, inmitten von Staubwolken und aus ihnen heraus, galoppierten flüchtende Seldschuken. Jenseits der Kampfgruppen, irgendwo auf der rechten Seite der Truppen des Kilidsch Arslan, wallte ein mächtiges Getöse auf. Tatikios, von seiner Leibwache umgeben, das blutige Schwert ausgestreckt, schrie zu Berenger und Rutgar herüber: »Die Seldschuken flüchten! Dieser wahnsinnige Bohemund verfolgt den Danischmenden-Emir!«
Rutgar streckte den Arm hoch, als Zeichen, dass er verstanden hatte. Er duckte sich unter einem heranschwirrenden Speer und senkte seinen Schild. Rings um ihn, den General und Berenger sah man keinen Muslim mehr im Sattel. Verwundete und Sterbende krümmten sich auf dem Boden, blutende Pferdeleiber zuckten, überall lagen Helme und Waffen, Sättel und Schilde - die Schlacht schien zu Ende zu sein, noch ehe sie richtig begonnen hatte. Durch das Rauschen des Blutes in seinen Ohren
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