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Jerusalem

Titel: Jerusalem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanns Kneifel
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Ziegenhäuten und Krügen beladen waren. Auch das Heer und die Söldner hatten sich mit prallen Ziegenschläuchen beladen. Am Fluss Tscharschemme legten die Fürsten abermals eine zweitägige Rast ein, und nach siebzehn Tagen verlustlosen Marsches, am 10. Tag des Herbstmonds, stießen Berengers Kundschafter auf die Spuren des bereits angekündigten seldschukisch-danischmendischen Heeres, das vor Herakleia lagerte und ihnen den Weg versperrte.
    Rutgar und Berenger ließen einige geflüchtete Armenier hinter sich im Sattel aufsitzen und sprengten zurück zu Tatikios. An der Spitze des Heeres, das sich zwischen bewaldeten Hügeln ins fruchtbare Tal herunterwälzte, flatterten die Fahnen Bohemunds von Tarent und seiner italischen Normannen. Die Späher übersetzten, was die Flüchtenden hervorstotterten. Einige Atemzüge später ließ Bohemund die Trompeter zum Sammeln blasen.
    »Die Stadt ist von Sarazenen besetzt!«, dröhnte er. »Lasst ihnen keine Zeit, sich zu stellen. Wir greifen an, sobald die anderen Fürsten aus den Hügeln hervorgekommen sind. Platz da!«
    Berengers Rappe tänzelte zur Seite. Die Ritter, die ohnehin meist in Rüstung und Waffen ritten, machten sich fertig. Die Fußsoldaten rissen ihre Waffen von den Karren und aus den Lasten der Saumtiere. Meldereiter galoppierten am Pilgerzug entlang und riefen die Ritter zusammen. Rasch machten die Pilger Platz, als die ersten Gruppen der schwer bewaffneten Reiter an ihnen vorbeitrabten und sich hinter Bohemunds Fahnen sammelten.
    »Emir Hassan und Danischmend Ghazi«, rief Tatikios, »wollen uns zum Gebirge drängen, weg von ihren Besitzungen!«
    »Es wird ihnen nicht gelingen!«, schrie Tancred, und Adhemar von Le Puy, dessen kleines Heer ihm in einer lang gezogenen Linie folgte, fügte laut hinzu: »Deus lo vult!«
    Berenger und seine Reiter erreichten den General, der im vordersten Drittel inmitten seiner Leibwache ritt. Rechts und links schrie man: »Militia Christi! Zu den Waffen!«
    Fußkämpfer eilten zwischen den Reitern nach vorn und sammelten sich hinter den Fahnen. Bohemund und seine Ritter spornten ihre Pferde und trabten vorwärts. Weit vor den Franken, in einer Linie, deren Enden im Buschwerk der Wälder am Talrand verschwanden, wallte Staub auf, in dessen Wolken die Sonnenstrahlen auf Metall blitzten.
    »Denkt an das Himmelszeichen!«, brüllte der Anführer einer Gruppe Pilger und hob die Kreuzfahne. »Schlagt sie alle tot, die Sarazenen! Gott mit uns!«
 
    Die Späher versammelten sich um Tatikios. Rutgar lenkte seinen Rappen neben Chersalas Reittier und spürte die Unruhe der Tiere, die auf die Trensen bissen und deren Ohren spielten. Er hielt den Atem an und lauschte. In der Luft lag ein seltsames Geräusch; nicht das Dröhnen der Hufe Tausender galoppierender Pferde, sondern ein brodelndes Summen der Erregung, als ob die Luft des frühen Nachmittags einen eigenen, rasenden Herzschlag besäße. Auch die Ritter nahmen das ferne Malmen wahr, als sie sich hinter Bohemund zu einem Angriffskeil zusammendrängten und in die Ebene vor der Stadt hineinritten.
    Die Seldschuken und die Danischmenden - kein Ritter erkannte Unterschiede zwischen den Heeren -, vielleicht fünfzehntausend oder mehr Reiter, erwarteten das Frankenheer. An zwei Stellen, einige Pfeilschüsse vom Mittelpunkt der lebenden Mauer entfernt, drängten sich auf niedrigen Hügeln Reiterscharen zusammen. Als die Franken näher gekommen waren, sahen sie Zelte und Fahnen und glaubten, dass dort die kampflüsternen Emire warteten.
    Noch gingen alle Pferde der Ritter im Schritt, und hinter den Reitern sammelten sich die Fußkämpfer in ordentlichen Reihen. Trompetensignale und Trommelschläge begleiteten ihre Schritte durch Kornfelder, über Stoppeläcker und Weiden, um kleine Wäldchen herum und auf die ferne Stadt zu, die hinter dem Staub und den wartenden Seldschuken als schemenhafter Umriss zu sehen war. Vor dem Bild eines Berges, dessen Gipfel aus Schnee oder weißem Marmor bestand, wuchs eine glänzende Wolke in die Höhe. Das brausende Lärmen, wie ein Schall aus Geschrei, Waffenklirren, den Misstönen vieler Stimmen und Instrumente, Pferdewiehern und unverständlichen Fetzen schauerlichen Gesangs, nahm zu, marterte die Ohren und riss plötzlich ab.
    Trompeten schmetterten durch die Stille, die nicht länger als zwei, drei Atemzüge dauerte. Dann setzten die Ritter die Sporen ein, und aus dem Schritt der schweren Rosse wurde Trab, der in dreifacher Pfeilschussweite vor den

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