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Jerusalem

Titel: Jerusalem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanns Kneifel
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Tancred leise. »Wir alle haben der Rast bedurft. Die Reise nach Jerusalem, wahrlich, in Waffen, ist ein mühereiches Unterfangen.«
    »Glaubt nicht, Herr Tancred«, entgegnete Tatikios und sah zu, wie sich Bohemunds Neffe setzte, »dass die Straßen nach Herakleia und hinunter nach Antiochia ohne Mühsal sind.«
    »Noch schlimmer als ...?«
    »Es wird diesmal weniger an Wasser mangeln, wenn Ihr das meint«, sagte der General. »Aber zwei entschlossene Emire warten mit ihren Heeren auf uns, und die Vorteile des Geländes liegen auf ihrer Seite.«
    Tatikios ließ seinen Schreiber erklären, dass die Straße über Herakleia nach Kaisareia und weiter nach Antiochia vielfältige Schwierigkeiten und Tücken aufwies - Schwierigkeiten der Wegführung und Tücken wahrscheinlicher Überfälle. Die sogenannte kilikische Pforte war ein Pass, steil und eng wie die Schlucht jenseits von Civetot, der sich allzu leicht in eine tödliche Falle verwandelte, wenn ein seldschukisches Heer sich dort versteckte.
    Reitknechte halfen Bischof Adhemar von Le Puy aus dem Sattel. Er wurde zum Zelt geleitet, begrüßte die Herren, schlug drei Kreuze und ließ sich, hochrot im schweißnassen Gesicht, auf einen gepolsterten Schemel nieder.
    »Die Hitze bringt bessere Männer als mich um«, murmelte er. »Und im Herbstmond soll's hier noch heißer werden. Richtig, Herr General?«
    »So ist es. Zumal wir aus dem Tiefland hoch aufgestiegen sind. Und noch haben wir ein Gebirge zu durchqueren.«
    »Entweder durch die syrische Pforte oder die Armanos-Enge«, führte Tatikios' Schreiber aus. »Beides sind Pässe, die äußerst schwer zu überwinden sind - auf schmalen Straßen, auf denen man sich Hals und Bein bricht.«
    Hugo von Vermandois und Robert von der Normandie hatten sich in einigem Abstand, so gut es das vieleckige Rund der Tische zuließ, von Tatikios gesetzt. Für Rutgar war dies ein Kennzeichen dafür, dass sich zwischen dem General und den Fürsten eine Kluft aus Misstrauen und beginnender Zwietracht aufgetan hatte. Balduin und Tancred schienen inzwischen mehr Gefallen an dem Gedanken zu haben, statt Jerusalem andere Städte und Ländereien zu erobern und sich dort als Fürsten und Steuereintreiber niederzulassen. Schon war der Name der Stadt Tarsus gefallen. Auch Robert von Flandern blickte ungewohnt grimmig drein. Von seinem Gesicht schälte sich die sonnenverbrannte Haut in weißem Geschilfer zwischen Hitzeblasen.
    Tatikios wartete, bis jeder der Fürsten einen gefüllten Becher vor sich stehen hatte, dann wandte er sich erneut an Bohemund.
    »Unser nächstes Ziel«, Tatikios deutete nach Osten, »wird Herakleia sein, dann die Stadt Kaisareia. Zwar führen die Straßen - deren schlechter Zustand mir nur in Stücken bekannt ist - durch Gebiete, die armenische Vasallen von Alexios Komnenos bewohnen. Aber ...«
    »Aber dort erwarten uns die Sarazenen?«, fragte Bohemund.
    »Meine Kundschafter versuchen eben dies herauszufinden«, bekräftigte der General. »Viele Späher sind, gut versteckt, auf dem Weg. Sie reden mit den Armeniern.«
    »Dörfer, Festungen, Burgen und reiche Städte, sagt Pankraz«, Balduin von Boulognes Gesicht glich, während er redete, dem eines hungrigen Raubvogels, »sind von Armeniern während eines Vierteljahrhunderts den Sarazenen abgetrotzt worden. Viele, wenn nicht alle, erwarten nichts sehnlicher als unsere Hilfe. Auch weil Konstantinopel viele armenische Fürsten enteignet und vertrieben hat.«
    »Das mag so sein«, entgegnete Tatikios vorsichtig. »Was wollt Ihr damit sagen?«
    »Dass viele kleine Fürsten von uns, dem fränkischen Heer, die Erlösung vom rhomäischen, sarazenischen und muslimischen Übel erhoffen.«
    Der Basileus Alexios, der sich selbst als auf einer Stufe mit den Aposteln sah, wollte jene Armenier mit Macht bekehren, die angeblich irrigen Christenglaubens waren. Daher glaubten die armenischen Kleinfürsten, dass die Hilfe westlicher Ritter ihnen gegen die »Römer« in Konstantinopel ebenso helfen würde wie gegen die muslimischen »Sarazenen«.
    Tatikios hob die Schultern, seufzte tief, schüttelte langsam den Kopf und antwortete sichtlich geduldig und unfähig, das schwierige Gewebe in wenigen Worten zu erklären: »Selbst ich kenne nicht alle Teile dieser Geschichte. Fürsten kommen und gehen, werden getötet und ersetzt, im Kampf oder auf dem Liebeslager, mit Gift und Dolch, und was vorgestern galt, ist heute wertlos, ein Schwur oder ein Vertrag. Je ferner der Basileus ist, desto

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