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Jerusalem

Titel: Jerusalem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanns Kneifel
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ausgeruhten Pferden und hinreichend bewaffnet, kletterte auf dem Ziegenpfad weiter hügelan. Milane kreisten über den Wipfeln von Krüppelkiefern. Jeder Reiter hielt unentwegt Ausschau nach Zeichen von versteckten Seldschuken oder Danischmenden; es war wie stets seit dem Beginn der langen Reise. Rutgars Traum von den hundert Tagen kam ihm in den Sinn, und dann dachte er an die hagelartigen Pfeilwolken. Ohne Eile ritten die Späher über Schafweiden und abgeerntete Felder, vorbei an Dörfchen, die halb versteckt unter mächtigen Bäumen und zwischen Felsen dahindämmerten.
    Bauern auf den Feldern, einige Schäfer, Holzsammler in den Wäldchen und Männer im Steinbruch - von ihnen erfuhren die Späher, dass sich bei dem Dorf Augustopolis viele Tausend Seldschuken versteckten und das Heer der Fremden erwarteten. Als hinter den Hügeln der Rauch einiger Herdfeuer zu sehen war, schickte Berenger in kurzen Abständen Boten hinunter zur Straße. Sie würden Gottfried und seine Ritter warnen; die Franken mussten genug Zeit finden, sich gegen den Angriff aus zahlreichen Hinterhalten wappnen zu können. Ein Späher entdeckte die Fahnen und Feldzeichen des Emirs Hassan und meldete dies Tatikios, der das Heer in mehrere Gruppen teilte und unbemerkt zu den Weilern und Einödhöfen bei Augustopolis führte. Als die Ritter der Seldschuken ansichtig wurden, ließen sie zum Angriff blasen.
    Binnen weniger Stunden, nach kurzen und blutigen Kämpfen, waren die Muslime in die Flucht geschlagen. Wieder bestand die Beute aus Pferden, Waffen und Proviant, aus Münzen und Sklaven. Der General belohnte einen reichen armenischen Herrn mit der Verwaltung dieser kleinen, neu erkämpften kaiserlichen Lehen. Das Heer zog unaufhaltsam trotz vieler Überfälle weiter, Tag um Tag, ohne große Verluste, gut versorgt von den Armeniern, durch das wasserreiche Land, dessen hoch aufragende Felsenkegel aus weichem Gestein die Pilger erstaunten, und erreichte am 26. Tag des Herbstmonds die Stadt Kaisareia.
    Sie war, nachdem armenische Fürsten immer wieder die Seldschuken angriffen und zu vertreiben versuchten, von den Muslimen verlassen worden und empfing die christlichen Fremden voller Erstaunen, aber mit offenen Armen. Drei Tage und Nächte rasteten die Pilgerschar und der Tross, der stattlich gewachsen war. Im Südosten, hinter den Hügeln, zeigte sich die Mauer eines Gebirges aus schneeigem Weiß und schwarzen Schattenzacken, das unüberwindlich schien; davor lagen als letzte Rast die Städte Placentia und Koxon.
    Als die Spitzen des Heeres sich Placentia näherten, waren sie von den Kundschaftern gewarnt worden. Die reiche armenische Stadt wurde vom Emir der Danischmenden belagert. Bohemund und seine Vasallen griffen unverzüglich an, sobald sie der Belagerer ansichtig wurden. Die Danischmenden flüchteten in hellen Scharen, aber Bohemund verfolgte sie, bis die Pferde der Ritter erschöpft waren. Die Stadtbewohner empfingen die Retter begeistert mit weit offenen Toren und ausgestreckten Armen und baten sie, General Tatikios aufzufordern, einen christlichen Statthalter zu ernennen.
    Tatikios wählte den provencalischen Ritter Peter de Aulps, der sich einst dem Zug von Robert Guiscard, Bohemunds Vater, nach Konstantinopel angeschlossen hatte und in die Dienste des Basileus getreten war. Tatikios rechnete mit Streit, aber die christlichen Ritter hielten den Treueschwur, den sie Alexios geleistet hatten.
    Von Placentia wälzte sich der Heerwurm der bewaffneten Wallfahrer nach Koxon und legte eine Rast von drei Tagen ein; in den Nächten verblasste die Lichterscheinung, und schließlich verschwand der Komet, der zwanzig Nächte lang das Heer vom Firmament herunter bedroht hatte, mit erschreckender Plötzlichkeit.
    Ein neues Gerücht erschreckte und erfreute die Heeresführer. Man munkelte, Händler und Boten hätten berichtet, dass die große muslimische Besatzung die Stadt Antiochia verlassen habe. Raimund von Toulouse wählte fünfhundert Ritter und als deren Anführer Ritter Peter von Castillon aus. Sie erhielten den Befehl, zum Fluss Orontes vorzustoßen und Antiochia für den Papst und den Basileus in Besitz zu nehmen. Unverzüglich lösten sie sich vom Heer und folgten dem Befehl. Die Anführer gönnten sich und allen Pilgern die Ruhe und Erholung, denn vor ihnen erhob sich das Gebirge, das sie durchqueren mussten.
    Der Herbstmond endete, es begann der Marsch in den Weinmond, und mit ihm kamen, am Tag des Heiligen Remigius, die schweren grauen

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