Jerusalem
Kaiser erobern könne.
Der kurze Weg, so riet dem Herrn Balduin von Boulogne sein armenischer Freund Bagrat, den er von Nikaia kannte, führt nach Süden über das Gebirge und durch einen gefahrvollen Pass, der an manchen Stellen nur zwanzig Ellen oder ein Dutzend Schritte breit ist. Der lange Weg geht zur Stadt Kaisareia, führt durch ein weniger hohes Gebirge, zur Stadt Germanikeia und zum Fluss Orontes. General Tatikios wurde zugetragen, dass die Herren Tancred, Balduin von Boulogne und Balduin von Le Bourg beschlossen haben, den Zug durch die enge Felspforte zu wagen. Der Erntemond ist heißer als jeder provençalische Sommer, und der Herbstmond wird, sagen die Armenier, so trocken und heiß, ohne Regen und kühlende Winde, dass selbst die Skorpione vertrocknen. Unser Angriff hat die Seldschuken aus der Stadt und aus dem Land um Ikonion verjagt. Aber sie werden überall auf uns lauern. Es wäre ein Wunder, wenn sie die Ritter und Pilger nicht in der Felsenschlucht in einen Hinterhalt locken würden. Die Armenier sagen, dass die Seldschuken viele andere Dörfer und Städte seit Langem in ihrer Gewalt haben.
Trotz aller Schilderungen der Bewohner dieses Landes weiß niemand so recht, welche Straße für das fränkische Heer besser wäre. Wenn wir die Stadt verlassen, werden uns tausend Augen beobachten, denn Sultan Arslan und seine Emire sehen nicht untätig zu, wenn wir Christen sie ihrer Herrschaft berauben. Es ist verwunderlich: Obwohl so viele von uns starben und von Krankheiten und Wunden heimgesucht wurden, scheint das Heer der Ritter, ihres Gefolges und des Trosses nicht kleiner geworden zu sein. Bischöfe und Priester sagen es, und jedermann glaubt es: Der Herr hat immerzu Seine schützende Hand über uns gehalten. Auch haben wir wieder genügend Pferde, Maultiere und Esel, Ochsen und anderes Vieh. Die Fürsten drängen, denn jedermann ahnt, dass Herbst und Winter in diesem Land furchtbare Ernte halten werden.
Der Tag erschien Rutgar unnatürlich ruhig zu sein. Berenger und andere Kundschafter, die ebenso wie einige Dutzend Ritter die Umgebung der Stadt sicherten, hatten berichtet, dass die Straße nach Kaisareia freigekämpft sei. Von dieser Stadt zog sich die uralte Heeresstraße über das Gebirge nach Germanikeia und durch den Amanos-Pass in die Ebene hinab, in der Antiochia lag. Weil sie durch ein Land führte, das armenische Vasallen des Basileus bewohnten, würde sich Tatikios für diesen Weg entscheiden, hatte Berenger gesagt.
Stadtbewohner und Pilger schienen erschöpft und schweigend ihren Arbeiten nachzugehen. Durch das Fenster drangen Sonnenlicht und Vogelgezwitscher. Rutgar sah zu, wie die Tinte seiner kleinen Buchstaben trocknete; in den Stunden, wenn der Strom der Wanderer in einer christlichen Stadt innehielt, vergaß er Heimweh, Angst und Furcht vor Sünden, deren Verwerflichkeit er nicht erkannte. Er las das Geschriebene durch, verschloss sorgfältig das Tintenkrüglein und faltete nachdenklich das Blatt zusammen.
Am 14. Tag des Herbstmonds schob sich das Hauptheer auf der Straße nach Nordosten auf Kaisareia zu. Ein kleinerer Teil hatte sich auf halbem Weg abgesetzt: Tancred von Tarent und eine kleine Truppe von einhundert Rittern und zweihundert Fußsoldaten, italischen Normannen, einerseits und zum anderen Gottfrieds Bruder Balduin mit seinem Kaplan Fulcher von Chartres sowie Balduin von Le Bourg mit fünfhundert berittenen Lothringern und Flamen, dazu zweitausend Fußkämpfern, waren auf getrennten Wegen nach Süden aufgebrochen, auf Tarsus zu. Berengers Späher, gemeinsam mit berittenen Armeniern, streiften abseits der Straße nach einem Dorf durch Wald und über Lichtungen. Als Berenger vom Hügelpfad aus die Straße nach Tarsus und die Spuren der Fußsoldaten sehen konnte, wandte er sich im Sattel um.
»Sie sind selbst daran schuld, wenn wir sie niemals wiedersehen«, sagte er zu Rutgar. »Es ist die Uneinigkeit der Fürsten, die sie umbringen wird.«
»Ich habe zuerst geglaubt, Bohemund würde sich ebenfalls absetzen«, antwortete Rutgar und klaubte ein paar Kletten aus der Mähne seines Rappen. Das Pferd prustete, stellte die Ohren auf und streckte den Hals. »Die Fürsten gehorchen Herzog Gottfried von Bouillon nicht. Es würde mich nicht wundern, wenn bei der nächsten Schlacht die Seldschuken unsere Leute hinmetzeln.«
»Vielleicht helfen die Armenier deinen Franken. Aber wir sind die Söldner des Generals. Weiter!«
Die kleine Gruppe Reiter, auf satten und
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