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Jerusalem

Titel: Jerusalem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanns Kneifel
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Yaghi-Siyan?«
    Bohemund lachte laut und schlug mit den flachen Händen auf seine Schenkel. »Nein, Firuz ad-Zerrat, der Waffenschmied, hasst den Emir nicht. Gold und Land hab ich ihm versprochen, und dafür ist er gewillt, unser Freund zu werden. Und da man einem Verräter nie vertrauen kann, habe ich mir seinen Sohn als Pfand schicken lassen. Alles ist bereit: Meine Leute, Leitern, Seile. Der Augenblick. Der Wille.«
    Rutgar nahm einen Schluck. Seit Monaten hatte er keinen so guten Wein getrunken. Leise sagte er: »Ich kann's kaum glauben, Fürst von Tarent. Ihr wollt zum Turm hinaufklettern? Wann? Mit wie vielen Männern?«
    »Fünf Dutzend Ritter. Die anderen stürmen die Stadt, wenn wir das Tor geöffnet haben. Ich habe lange mit dem störrischen Rat der Fürsten gefochten, aber zuletzt haben sie mir freie Hand gegeben. Wenn wir hierbleiben, werden wir zwischen dem Heer des Emirs Kerboga und den Mauern Antiochias zermalmt werden wie zwischen dem Stößel und dem Mörser. Denn in dem Zustand, in dem wir sind - zu wenige Männer, schlecht genährt, mutlos geworden durch das lange Zaudern -, werden wir diesen Angriff nicht überleben. Unser Heer soll sich scheinbar sammeln und den Reiterscharen des Atabeg entgegenziehen. Das wird die Wachsamkeit der Verteidiger mindern. Sag's deinen Männern. Wenn wir in der Stadt sind, sollten sie ein leeres Lager zurücklassen - hier draußen wird es gefährlich.«
    Rutgar war von Tatikios' Lager im weiten Bogen nach Osten geritten; einer der Boten, die den Fürsten die Nachricht vom Herannahen des Muslim-Heeres überbrachten. Er hatte beim Ritt durch eine Lagergasse gesehen, dass sich viele Männer wie für einen Marsch rüsteten. Aber noch war kein Zelt abgebrochen worden.
    »Und was ist mit den anderen hohen Herren? Werden sie nicht darauf bestehen, mit Euch über die Mauern zu steigen?« Er fragte sich, wie viel die anderen Anführer des Heeres wirklich von Bohemunds Absicht wussten - vermutlich nur so viel, um ihren Teil darin spielen zu können.
    Der Fürst machte eine wegwerfende Geste. »Stephan von Blois scheint krank zu sein. Er wird mir wenig helfen können. Auch Herzog Gottfried und Robert von Flandern kennen meinen Plan noch nicht. Sie sind ausgezogen, um in den Bergen Proviant zu beschaffen; sollen sie dort bleiben! Ihr, die Männer des Generals - haltet euch bereit. Morgen Nacht werden wir es wagen. Vor dem ersten Tageslicht am dritten Tag. Im letzten Augenblick, bevor uns die Seldschuken vernichten.«
    Jede Bewegung des gewaltigen Körpers schrie nach rücksichtslosem Kampf und nach Macht. Rutgar fragte sich im Stillen, warum ausgerechnet er das Vertrauen dieses mächtigen Mannes genoss. Andererseits wusste Bohemund seit Monden, dass die Späher und Kundschafter mutig und zuverlässig waren.
    Rutgar leerte seinen Becher und wartete vergeblich darauf, dass ihm Bohemund nachschenkte. Er stand auf, verbeugte sich knapp und sagte: »Ich verspreche Euch, Fürst Bohemund, dass alle Soldaten des Generals mit ihren Pferden und Waffen und so viel Ausrüstung, wie wir tragen können, bereit sind. Wenn ich weiß, dass eines der Tore offen ist, galoppieren wir in die Stadt.«
    »So soll es geschehen. Vor Sonnenuntergang, morgen, sollt Ihr das Lager verlassen und nach Osten reiten. So, als ob Euer kleines Heer Richtung Edessa ziehen wollte. Ihr werdet einiges zurücklassen müssen. Sorgt dafür, dass Ihr gute Unterkünfte in der Stadt findet. Die Christen von Antiochia werden es Euch danken.«
    »So Gott will«, antwortete Rutgar.
    Mit einem abschätzigen Grinsen fügte Bohemund hinzu: »Deus lo vult! Gott will es so.«
    Rutgar verließ das offene Zelt. Der Pferdeknecht übergab ihm die Zügel, und Rutgar trabte zurück in das Lager der Späher.
 
    Bald wusste jeder Insasse des Kundschafterlagers, was er zu tun hatte. Die Arbeiten, die den Aufbruch begleiteten, wurden mit der Erfahrung vieler Tage begonnen; ohne Lärmen, ohne Hast, gewissenhaft und geordnet: Holz für Lagerfeuer, Sättel und Zaumzeug vorbereiten, die Pferde tränken und füttern, Proviant packen, Waffen sammeln und Truhen füllen. Die meisten Zelte blieben stehen, die Kundschafter und Handwerker arbeiteten mit gewohnter Zuverlässigkeit. Trotzdem hatte sich eine ungewöhnliche Stille über den Zelten ausgebreitet, als ahnten alle, dass sich etwas Entscheidendes anbahnte.
    Auch aus den Lagern der Fürsten erscholl gedämpftes Brodeln, vermischt mit metallischem Klirren. Die Ritter und ihre Gefolgschaft, die

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