Jerusalem
Armenier und Syrer.«
»Wenn alle gestorben sind, hört auch die Seuche auf«, sagte Berenger fatalistisch. »Von euch ist keiner krank geworden?«
»Nicht mehr als sonst«, antwortete Chersala. »Wir halten uns fern von den Kranken und den Sterbenden und den Gräbern.«
»Recht so.« Berenger hob seinen leeren Becher und wartete, bis die junge Frau nachgeschenkt hatte. »Erzählt mir von der Heiligen Lanze, Rutgar.«
»Eine wundersame Geschichte«, begann Rutgar und stieß einen Seufzer aus. »Also ...«
Er schilderte Berenger, was er von den Visionen des Peter Bartholomäus wusste, von der Auffindung der eisernen Spitze, vom Glauben an das Wunder und dem gewaltigen Sieg unter diesem Zeichen und davon, dass der verstorbene Bischof nicht an die Weisungen des heiligen Andreas geglaubt hatte, und dass dieser Bartholomäus davon redete, der Heilige habe ihm offenbart, die Stadt gehöre Bohemund, und dass die Fürsten einen Patriarchen wählen sollten, der dies bestätigen müsste. Das Heer sollte sich zum Feldzug nach Jerusalem sammeln, denn die Streitereien unter den Fürsten lähmten Pilger und Krieger der Truppen. Aber in Antiochia gab es niemanden, der darüber entscheiden konnte.
»Es wird wohl noch etliche Monde dauern«, sagte Berenger nach einigem Nachdenken, »bis das fränkische Heer sich auf den Weg macht. Jerusalem dürfte dann aber nicht mehr in der Hand der Seldschuken sein.«
»Und was bleibt für uns, Anführer?« wollte ein Kundschafter wissen. »Sollen wir vorausreiten, oder bleiben wir in Antiochia? Oder gehen wir und nehmen den Bauern das Korn weg?«
Berenger sagte ihm, was Tatikios entschieden hatte, und suchte in den Gesichtern Rutgars und Chersalas nach Zustimmung oder Ablehnung und schien ein großes Maß an Ratlosigkeit zu erkennen. Er grinste und knurrte: »Ich sehe mich zuerst ein paar Tage lang um. Dann beraten wir. Und dann wird entschieden, ob wir unseren eigenen Weg gehen oder ob uns der Traum von Jerusalem mehr bedeutet als unser Leben. Wie steht es mit Pferden?«
»Uns fehlen nur noch wenige«, antwortete Rutgar. »Alle Reittiere sind ausgeruht, haben sich sattgefressen, weiden hier und draußen vor den Mauern.«
»Eines solltest du bedenken, Anführer.« Thybold deutete mit der rechten Hand auf Berenger. »Die Kundschafter, anders als die Krieger der Provençalen, kennen jeden Pfad, jeden Bach, jede Brücke in weitem Umkreis, weit ins Land hinein. Vielleicht braucht einer der Fürsten berittene, wehrhafte Wegeskundige.«
»Ich werde es bedenken.« Berenger nickte kurz. »Das rettet uns möglicherweise vor Langeweile. Gut so. Dass wir gute Pferde haben, macht alles leichter.« Berenger wandte sich an die Frauen. »Bitte. Bereitet mir ein feines Bad. Und ich brauche ein Bett. Und einen kräftigen Kerl, der mich walkt und knetet.«
Chersala stand auf und legte ihm lächelnd die Hand in den Nacken. »Lass mich das besorgen. Rutgar und ich wissen, wie es geht.«
»Einverstanden, Schönste.«
Chersala zog Berenger zu einer Treppe zum Obergeschoss. Aus Rutgars und Chersalas Kammern hatten sie Ausblicke in den Innenhof und nach Süden, zur Kathedrale und zur Festung, die auf dem Silpiosberg thronte.
Die muslimischen Besitzer der Häuser hatten bei ihrer Flucht Dutzende Sklaven und Diener und die gesamte Einrichtung zurückgelassen. Die Syrer und Armenier waren froh, dem Gemetzel entkommen zu sein, und gehorchten im Großen und Ganzen willig den Wünschen und Anordnungen der neuen Herren.
Berenger ließ seine Ausrüstung in einen großen, wohlig ausgestatteten Wohnraum bringen; Chersala führte ihn in eines der Bäder und sagte den Dienern, was sie zu tun hatten.
In den Tagen seit der Eroberung und während der seuchenhaften Krankheit, die jeden zweiten Befallenen dahingerafft hatte, war Antiochia in Bewegungslosigkeit und Stille gefallen; es war wie Atemholen vor der nächsten Anstrengung.
In der 11. Nacht des Erntemonds führte Berenger seinen Rappen am Zügel in den Hof und ließ ihn absatteln und in den Stall führen. Feuchter Südwind fiel von den Bergen und ließ die Flammen der Kerzen und Öllichter zittern und zucken. Als der Anführer Rutgar erkannte, der auf einer Treppenstufe saß, sagte er leise: »Die Fürsten sind wieder in der Stadt. Sie haben sich im Palast getroffen und einen Brief an Papst Urban schreiben lassen.«
»Du warst dabei?« Rutgar rückte ein paar Handbreit zur Seite. »Es gibt zwölf Dutzend Gründe, an den Papst zu schreiben.«
»Bis er
Weitere Kostenlose Bücher