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Jerusalem

Titel: Jerusalem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanns Kneifel
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kurzer Zeit geschoren worden, aber seine Augen strahlten noch immer in leuchtendem Blau. Wir alle, sagte sich Rutgar betroffen, haben uns verändert; äußerlich und innerlich.
    Berengers Freunde und vielleicht zwei Dutzend Kundschafter umringten ihn. Jeder freute sich über sein unerwartetes Auftauchen, und jeder wartete darauf, dass er zu erzählen begann. Berenger zog aus einer der Traglasten einen Krug und übergab ihn einem der Männer.
    »Hol ein paar Becher«, sagte er. »Und bringt mich in den Schatten.«
    Sie drängten und schoben sich durch das Tor in den Innenhof und in den Schatten des alten Kastanienbaums. Armenische Diener hatten Tische und Bänke gezimmert und mit Tüchern belegt, die sie in den Truhen des Hauses gefunden hatten. Zwei junge Mädchen füllten die Becher.
    Berenger hob die Hand, blickte in die Runde und sagte unbewegten Gesichts: »Der Basileus wird nicht kommen und die Stadt von Bohemund übernehmen. Der Normanne wird sie, glaube ich, behalten. Es ist nicht sicher, aber es heißt, der fatimidische Wesir Al-Afdal, der für den Kalifen in Kairo die Regierungsgeschäfte führt, habe ein Heer nach Jerusalem in Marsch gesetzt. Die Söhne des verstorbenen Emirs Artuk, Ilghazi und Sogman, sollen sich hinter die Mauern der Stadt zurückgezogen haben. Sie sind Seldschuken, mit Duqaq von Damaskus als Oberherrn.«
    Schweigend hörten die Kundschafter zu. Thybold stützte das Kinn in die Hand und sah Berenger fragend an. »Hat dich Butumites oder Tatikios zum Befehlshaber der Reiter gemacht, Berenger? Wirst du bei deinen Spähern bleiben?«
    Berenger zuckte mit den Schultern und bemühte sich, allen Männern in die Augen zu sehen. »Weder Butumites noch der Basileus haben mit mir geredet. Tatikios hat mir Gold mitgegeben, um euren Lohn auszuzahlen. Zweihundert von euch reiten zurück nach Konstantinopel, so hat er befohlen.« Er lachte kurz und fuhr grimmig fort: »Aber ihr werdet so viel Beute gemacht haben, dass ihr das Gold und Silber aus Konstantinopel nicht braucht.«
    Lautes Geschrei und Gelächter antworteten ihm, aber er schüttelte grinsend den Kopf und gab zu erkennen, dass er genau wusste, wie es um die Stadt, die Fürsten und die vielen Bewaffneten stand.
    »Tatikios hat zu mir gesagt: Bring ihnen den Sold. Wenn sie es wollen und dir gehorchen, führe die Späher nach Jerusalem. Aber bringe sie unverwundet zurück. Denn die Franken werden die Stadt erobern oder dabei sterben. Du weißt, was zu tun ist. Das sagte er, mehr nicht. Was soll ich also tun?«
    »Ich sehe es in deinen Augen, Berenger«, sagte Chersala und legte ihre Hände auf seine. »Als du bei uns warst, gab es wenige Verwundete. Noch weniger wurden getötet. Geh mit uns nach Jerusalem.«
    »Und danach in die Provençe«, fügte Thybold hinzu. »Mit dir zusammen - wir überleben das alles!«
    »Aber das kannst du später entscheiden«, murmelte Rutgar und versuchte, Berengers Gesichtsausdruck zu enträtseln.
    Während der Hof sich zu füllen begann, tauschten Berenger und Rutgar Neuigkeiten aus. Bohemund war mit seinen Normannen durch das Gebirge nach Kilikien geritten, um die Provinz, in der Tancred viele Städte eingenommen hatte, zu einem Anhängsel Antiochias zu machen. Gottfrieds Heer war unterwegs zu seinem Bruder Balduin von Bouillon. Wo Raimund von Saint-Gilles sich aufhielt, war zur Stunde unbekannt. Robert von der Normandie befand sich in Latakia, wo er Edgar Athelings Besatzung verstärkte. Dieser wichtige Hafen, von den Rhomäern Laodikeia genannt, stand unter der Herrschaft von Konstantinopel und beherrschte den westlichen Landweg nach Antiochia. Dort sollten sich auch die abziehenden Kundschafter einschiffen. Alexios lebte wieder in seinen Palästen zu Konstantinopel; von seiner Absicht, den bedrängten Kreuzfahrern zu Hilfe zu eilen, wurde nicht mehr gesprochen. Vom endgültigen Fall Antiochias schien er nichts zu wissen. Fulk von Chartres und Balduin von Bouillon, zusammen mit Drogo von Nesle, Reinhold von Toul und Gaston von Béarn, trieben ihr Unwesen in kleinen Städten wie Tell-Manas, Ma'arrat-an-Numan und Sarudsch. In Antiochia fehlten die muslimischen Besitzer der Felder, und kaum jemand dachte daran, die Ernte einzubringen. Bald drohte die nächste Hungersnot, aber sie würde allein deshalb keine Opfer finden, weil die Franken überall in der Umgebung Nahrungsmittel erbeuten konnten.
    »Und noch immer sterben tagein, tagaus Pilger an der Darmpest.« Thybold zuckte mit den Schultern. »Aber auch

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