Jerusalem
bemerkte, dass seine Hände zitterten, und stieg steifbeinig aus dem Sattel.
Er wischte die Klinge am Umhang eines der Toten ab und schob das Schwert mit einiger Mühe in die Scheide. Dann entschloss er sich, die Waffen, den Bogen und den gefüllten Köcher der toten Türken an sich zu nehmen. Er band alles mit einem langen Stoffstreifen zusammen, der dem Bogenschützen als Leibgurt gedient hatte, tauschte seinen zerhauenen Schild um, fand einige Lederbeutel voll silberner und goldener Münzen und eine fingerdicke goldene Kette um den Hals des Reiters, dessen Rückgrat von den messerscharfen Felsen zerbrochen worden war.
Die Schilde schleuderte er zwischen die Büsche. Noch immer war es ruhig; das plötzlich einsetzende Zwitschern der Vögel und der zirpende Chor Hunderter Grillen bewies, dass sich niemand näherte.
»Ich hab es nicht gewollt«, murmelte er und zog die ausgeplünderten Leichname zwischen die Büsche. Sein rasender Herzschlag beruhigte sich nur langsam. Berenger! Ein Geheimnis umgab diesen Mann; er hatte vielleicht sein Leben gerettet. Rutgar schlug den Kopfteil des Kettenhemdes zurück und stiefelte zu den beiden Pferden, die friedlich Gräser und frische Blätter fraßen, band den Zügel des Braunen an den Sattel des Schecken und zog die Tiere zu seinem Pferd. Er saß auf; die schlanken, wendigen Tiere mit den klugen Augen folgten ihm willig.
»Wenn Berenger vor mir reitet, ist der Weg frei«, sagte er leise und trabte an. In den Satteltaschen der Türken hatte er nur fellbezogene, metallene Wasserflaschen gefunden, halb gefüllt, die er an sich genommen hatte, aber keinen Proviant - ein verstecktes seldschukisches Lager war also nicht fern. Berenger und der Kapitän hatten recht gehabt. Die Gefahr lauerte unsichtbar auf Ritter und Pilger. Hier, zwischen dem Saum des Meeres und der Stadt Nikaia.
Einige Schritte vor dem Lager der Ritter stieg Rutgar ab. Er winkte einige ältere Pilger herbei, übergab ihnen die Zügel der Pferde und sagte:
»Sie sind euer. Behandelt sie gut. Auch die Sättel gehören euch. Ich hab sie redlich erkämpft - wenn Kukupetros zurück ist, werdet ihr sie brauchen.«
»Ihr habt gegen die Türken gekämpft, Herr Jean-Rutgar?«
Er nickte und deutete auf die erbeuteten Sättel. »Und es scheint, dass ich meinen Kampf überlebt habe. Macht euch keine Mühe; es sind schwerlich Schätze in den Satteltaschen.«
Sie führten die Beutetiere weg. Rutgar nahm die Gebissstange aus dem Maul des Rappen und hielt das Tier am Zügel. Reinhold von Breis wurde auf Rutgar aufmerksam, stand von seinem Hocker auf und ging ihm entgegen.
»Um Vergebung, Herr Graf«, sagte Rutgar und verbeugte sich, »ich bin gekommen, Euch und die anderen Herrn zu warnen.«
»Warnen? Wovor?« Die Blicke Reinholds schienen Rutgar durchbohren zu wollen. »Du bist der Franzose, der unseren Kukupetros bedient und beschützt hat.«
»So ist es, Herr Graf. Ich habe, zwei, drei Stunden vor Nikaia, die toten Seldschuken gefunden. Einer hatte noch ein wenig Leben in sich und redete von einem Kampf gegen fränkische Ritter.«
»Wir haben sie überrascht. Ihre wunderbaren Bogen und die schnellen Pferde haben ihnen nichts genützt. Deine Warnung?«
»Zwei Stunden Trab von hier, im Süden, neben der breiten Straße, habe ich ein Dutzend Späher auf Pferden gesehen; ich konnte mich gerade noch rechtzeitig verstecken. Ich will damit sagen: Die Türken wissen, dass wir hier lagern. Kurz darauf musste ich gegen drei Männer kämpfen, die genau wussten, wie ein Ritter zu töten ist. Dass Ihr, Herr Ritter, die Dörfer verwüstet - das weiß inzwischen auch ihr Herrscher, der Sultan ibn-Süleiman.«
»Selbst wenn er es weiß - wir sind dreitausend Gewappnete!«
Zögernd näherten sich einige Gefolgsleute und hörten zu. Rutgar hob die Schultern und starrte ins Gesicht seines Gegenübers. »Man sagt, die Türken seien so zahlreich wie Sandkörner am Ufer.« Er beruhigte den Rappen und blickte in Reinholds gerötetes Gesicht. »Ich fürchte um das Leben der vielen Pilger, die ohne ihren Anführer sind. Sie verstehen nicht zu kämpfen.«
»Civetot ist stark befestigt. Und notfalls können wir aufs Meer hinaus ausweichen«, sagte ein Ritterknecht im eisengeschuppten Lederwams. »Aber wir werden die Türken in Stücke hauen, wenn sie es wagen, uns anzugreifen.«
»Peter von Amiens hat sie kämpfen gesehen. Ihre Pfeile sind wie Hagelwolken«, antwortete Rutgar. »Je mehr Ihr Euch Nikaia nähert, desto mehr werdet Ihr sie
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