Jerusalem
Sätteln; einige von ihnen zügelten die Pferde, und Rutgar sah mit halb ungläubigen Blicken, dass vor ihnen über dem Sattel oder hinter ihnen sich verzweifelt festklammernde, halb bekleidete Frauen festgebunden waren.
»Meine schlimmen Träume werden hier zur Wirklichkeit«, murmelte er. Und wo war Berenger? Vier oder fünf Ritter, von den Reibungen ihres Gemächts auf dem Sattelleder geil geworden, rissen ihre Pferde an der Stelle zur Seite, an der sich der Pfad verbreiterte. Sie hielten die Pferde roh an, die Tiere bäumten sich auf und tänzelten auf den Hinterläufen; Reiter und Beute rutschten vom Pferderücken. Die Reiter sprangen zur Seite, knoteten die Zügel an Äste und zerrten die Frauen zu sich; einer schlug mit der Hand im Kettenhandschuh ins Gesicht eines kreischenden Mädchens.
Eine Frau stolperte und taumelte zum Rand des Abhangs, rutschte aus und kippte zur Seite. Sie überschlug sich zwischen Zweigen und niedrigem Buschwerk, wirbelte Haufen alten Laubs hoch und schrie gellend. Der Reiter stierte ihr hinterher, zuckte mit den Schultern und öffnete seine Hose. Er schlug sein Wasser neben einem Busch ab und sah grinsend zu, wie sich die anderen Ritter über die Frauen hermachten. Am Boden der Schlucht blieb die Frau scheinbar regungslos im Schilf liegen. Rutgar sah, als er genauer hinblickte, dass ihr Körper zuckte.
Ein Ritter hatte sein Pferd wieder gezügelt, ließ die Frau, die er zu Boden geschlagen hatte, liegen und stieg aus dem Sattel. Die Frau, sie schien jung zu sein und trug ihr schwarzes Haar hüftlang, sprang auf, rannte zwischen den wirbelnden Beinen der Pferde zum Gebüsch, wich geschickt den Reitern aus und hüpfte mit einem Schrei über die Kante. Sie rutschte hinunter, überschlug sich, schrie wieder und landete mit dem Kopf voraus in einem nassen Laubhaufen, der im Kehrwasser des Bächleins angeschwemmt worden war. Rutgar rührte sich nicht, klatschte nur beruhigend gegen den Hals des Rappen. Er durfte nicht wagen, sich den trunken rasenden Rittern entgegenzustellen. Auch wenn es ihn in der Seele schmerzte, er musste warten.
Schließlich, als die Kette der galoppierenden Ritter dünner wurde und sich die Gruppe derer, die angehalten hatte, aufgelöst hatte, stieg er aus dem Sattel. Jeder zweite Reiter schwankte betrunken auf dem Pferderücken.
»Gott hat sie verflucht«, knurrte er. »Er wird sie alle vernichten. Sie wissen's nur noch nicht.«
Er begann in die Schlucht hinunterzuklettern. Er hielt sich an Ranken, freiliegenden Wurzeln und krummen Stämmen fest. Je näher er den beiden Frauen kam, desto deutlicher hörte er ihr Wimmern und Stöhnen. Er stieg durch das zwei Handbreit hohe Rinnsal, achtete nicht auf seine Stiefel und beugte sich über die zitternde Frau, die zuerst gefallen oder gesprungen war. Er versuchte sie aufzurichten, auf die Füße zu ziehen. Bei jeder Bewegung stöhnte und ächzte sie; ihre Augen waren geschlossen, über ihre Stirn liefen zwei breite Blutfäden.
Rutgar nahm den Helm ab, schöpfte ihn voll Wasser und leerte ihn behutsam über den Kopf der Frau. Er machte einige Schritte und hob dann die Langhaarige auf. Sie riss die Augen auf, starrte ihn furchtsam an, stemmte sich auf den Ellbogen hoch, aber erholte sich langsam. Er hielt ihre Hände fest, legte dann den Finger an die Lippen und sagte beschwörend: »Ich bin einer von denen. Aber kein Mörder und Schänder.«
Er schöpfte wieder Wasser in den Helm und gab ihr zu trinken. Dann deutete er auf den Abhang und sagte: »Ich bring euch zurück in eure Dörfer. Versteckt euch mit mir, bis alle vorbeigeritten sind.«
Die ältere Frau kam stöhnend langsam auf die Füße. Sie schien Rutgar zu vertrauen und nahm, als er ihr helfen wollte, seinen Arm. Über ihnen galoppierten lautstark, aber außer Sichtweite die letzten Reiter auf dem Sandweg nach Norden. Mit viel Mühe schleppte Rutgar die Frauen im Zickzack den jenseitigen Hang hinauf und blieb neben dem Rappen stehen, als sie sich erschöpft zu Boden gleiten ließen und sitzenblieben.
»Ich weiß, was die Franken getan haben«, sagte er.
»Du weißt gar nichts, Fremder!«, stieß die Ältere hervor. Sie begann ihr Gesicht und die Arme mit dem Ärmel ihres zerrissenen Gewandes zu trocknen. »Der Herr straft uns durch die fremden Ritter! Für Sünden, die wir nie begangen haben!«
Rutgar betrachtete sie schweigend; schließlich näherte sich die Jüngere und lächelte ihm mit schräg gelegtem Kopf zu.
»Mag sein«, antwortete er. »Sie
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