Jessica
suchte sich Jessica ihren Weg über die schneebedeckte Hauptstraße.
Junebug begrüßte sie mit einem entzückten Aufschrei und nahm ihr sofort eines der Babys ab. »Oh, was für ein süßes, kleines Gesicht!«, jubelte sie. »Und das ist ihre Schwester? Ich wette, in zwanzig Jahren brechen sie alle Herzen in Springwater!«
Erwärmt von Junebugs netter Begrüßung, lächelte Jessica dankbar. Vielleicht würde sie ja doch eines Tages hier dazugehören. Sie musste nur Gage Calloway so viel wie möglich aus dem Weg gehen.
Junebug bereitete aus zwei Körbchen, die sie mit Laken und Kissen auspolsterte, ein Bettchen für die Babys und legte die Zwillinge hinein. Beide krähten fröhlich und fü hlten sich in der Station von Springwater offensichtlich willkommen
»Setzen Sie sich, ich machte schnell einen Tee«, ordnete Junebug an, während Jessica noch in der Tür zögerte und nicht wusste, was sie als Nächstes tun sollte. Sie hatte sonst immer nur einen Schritt über den Dienstboten gestanden, und sie wusste nicht, wie man so einen Besuch gestaltete.
»Ist Alma nach Hause gefahren?«
»Ja«, bestätigte Jessica ein wenig unsicher und sank auf einen der Stühle am Kamin.
J unebug nickte nur, weil sie mit dem Teekessel be sch äftigt war, den sie heiß ausspülte und dann rasch mit Teeblätte rn aus einer Dose füllte. Erst dann redete sie weiter. »Jacob sagt, der Teich an der Quelle ist zugefroren. Morgen wird dort ein Lagerfeuer entzündet, und außerdem soll ein Eisläufen stattfinden. Ich hoffe, dass Sie die Babys warm einpacken und auch dorthin kommen.«
Jessica wollte nicht erwähnen, dass sie neben allen praktischen Gründen, die dagegen sprachen, ja in Trauer war. Vielleicht deshalb, weil sie wusste, dass Michael mit ihrer Zurückgezogenheit nicht einverstanden gewesen wäre. Er h ätte gewollt, dass sie die Erinnerung an ihn und an ihre gemeinsamen Jahre lebendig hielt, statt sich wegen seines Todes zu grämen.
»Ich habe keine Schlittschuhe«, sagte sie deshalb nur.
Junebug ließ sich davon nicht beeindrucken. »Ich glaube, Victoria hatte welche.« Ihr nettes, offenes Gesicht verdunkelte sich einen Moment, und sie warf Jessica über die Schulter einen Blick zu. »Armes Mädchen. Sie war ja nie sehr robust, aber sie hat sich Mühe gegeben und es wirklich versucht.«
Jessica runzelte verblüfft die Stirn. »Versucht?«, wiederholte sie fragend.
Junebug stieß einen tiefen Seufzer aus. »Michael zu gefallen, meine ich«, erklärte sie und sah nachdenklich in die Feme. »Aber sie war wohl nie wirklich glücklich darüber, hier weit draußen im Westen unter einfachen Leuten zu leben. Nicht dass sie unfreundlich oder hochnäsig gewesen wäre, nein, das nicht. Es schien ihr hier nur nie so richtig zu gefallen.«
Jessica hatte ihre Schwägerin kaum gekannt, weil sie so bald schon weggezogen war. Vorher hatte sie sie auch nicht allzu oft gesehen, weil Michael sie gerade erst geheiratet hatte. Sie war zierlich und sehr lieb gewesen, aber auch etwas scheu und zerbrechlich. Victoria hatte Michael gebeten, nicht in den Westen zu ziehen und dort sein Glück zu suchen; und darin war sie sich mit Onkel Samuel einig gewesen. Vielleicht hatte sie Recht gehabt. Wenn sie zu Hause geblieben wären und Michael die Zeitung von Onkel Samuel übernommen hätte, wären sie heute beide vielleicht noch am Leben.
Wenn. Jessica schüttelte den Gedanken ab. Das waren fruchtlose Spekulationen. Was geschehen war, war geschehen, und damit basta. Michael und seine Frau waren für immer gegangen. Jetzt war es an ihr, die Scherben aufzulesen und daraus eine Zukunft zu bauen, wie unsicher sie auch sein mochte. Dazu gehörte auch, dass sie an den Stadtfesten t e ilnahm - wie an der Eisparty.
»War mein Bruder glücklich?« fragte sie, als Junebug schließlich mit einem Tablett an den Tisch trat, Tassen bereitstellte, den Tee servierte und Sich zu Jessica ans Feuer setzte. »In seinen letzten Tagen vor dem Fieber, meine ich?«
Junebug streckte die Hand aus und tätschelte Jessicas Arm. »Ja, sicher war er das«, versicherte sie mit tröstlicher Überzeugung. »So lange, bis die arme kleine Victoria gestorben ist. Ihr Verlust hat ihn viel Kraft gekostet, aber das ist ja normal. Von da an hat er Tag und Nacht gearbeitet; ja, er liebte die Babys und seine Zeitung. Und er hatte große Hoffnungen auf die Gazette gesetzt. Das weiß ich ganz genau.«
Jessica nippte an ihrem Tee und dachte schweigend über die unerfüllten Träume ihres
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