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Jesus liebt mich

Jesus liebt mich

Titel: Jesus liebt mich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Safier
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Bibeln? Wenn ja, warum? Gab es Remix-Versionen?
    «Standard», antwortete ich, die Wissende spielend.
    Die Buchhändlerin verkaufte mir eine Bibel.
    Ich setzte mich in ein Café, trank einen Latte macchiato, blätterte in der Bibel und stellte fest, dass die Sprache mich, wie damals im Konfirmandenunterricht, unendlich langweilte, selbst jetzt, wo ich doch ein durchaus berechtigtes Interesse an dem Thema hatte. Daher beschloss ich, mich einem Medium zuzuwenden, das mir näherlag. Ich ging zu MichisVideothek und klingelte an der Tür. Er machte mir unausgeschlafen und unrasiert auf. Dabei trug er ein T-Shirt mit dem für meine Situation nicht unpassenden Yoda-Spruch «Vergessen du musst, was früher du gelernt».
    «Was willst denn du hier?», gähnte er und rieb sich dabei den Schlaf aus den Augen.
    «Ich   … ich   … hatte Lust, dich zu sehen», antwortete ich.
    «Zu nachtschlafender Zeit?»
    «Es ist elf Uhr.»
    «Sag ich doch, nachtschlafende Zeit.»
    «Ich würde gerne ein paar Filme gucken.»
    «Was für Filme?», fragte Michi.
    Kleinlaut antwortete ich: «Über Jesus   …»
    «Dieser Joshua bringt dich echt durcheinander», stellte Michi besorgt fest, mit einem – wenn ich richtig gehört hatte – für mich überraschenden leisen Unterton von Eifersucht.
    «Nein, nein», versuchte ich mich rauszureden. Aber das klang natürlich nach all dem, was ich die letzten Tage erlebt hatte, komplett unglaubwürdig.
    «Eins kann ich dir garantieren», erklärte ich Michi, «ich habe keine Gefühle mehr für ihn.» Wenigstens das stimmte.
    Michi gefiel das sichtlich. Er schlich mit mir in die Videothek und setzte einen Kaffee auf.
    Michi zeigte mir eine kleine Jesus-Retrospektive auf dem Flachbildfernseher der Videothek. Zuerst sahen wir «Die Passion Christi», Mel Gibsons Werk über die Kreuzigung Jesu.
    «Was brabbeln die denn da?», fragte ich, weil ich kein Wort der Schauspieler verstehen konnte.
    «Gibson hat den Film auf Aramäisch und Latein gedreht», erklärte Michi, und ich dachte mir, dann hätte Gibson genauso gut die Filmfiguren per Flaggenalphabet kommunizieren lassen können.
    Die Passion Christi war ein ziemlich grausames Gemetzel. Splatter für Bibelfans. Und die Juden in dem Film wurden in der menschenfreundlichen Tradition der Goebbels’schen Propagandamaschine dargestellt. Als Jesus schließlich brutal in dem Film gekreuzigt wurde, war das so plastisch, dass ich verdammt froh war, nichts gegessen zu haben. Dass der Mann, der heute Morgen mit mir am Steg saß, diese ganzen Foltereien durchgemacht hatte, konnte – und vor allen Dingen wollte – ich mir gar nicht vorstellen.
    Im Kontrast dazu zeigte Michi mir im Anschluss den Siebziger-Jahre-Musical-Film «Jesus Christ Superstar». Schon nach wenigen Minuten sehnte ich mich nach Gibsons Film zurück, gab es hier doch noch einen größeren Horror: Jesus sang Musical-Hits!
    Sein Darsteller grimassierte dabei wie Louis de Funès und wirkte auch ähnlich ausgeglichen. Er wurde eigentlich nur übertroffen von dem schwarzen Schauspieler, der Judas spielte und in einem weißen, discoähnlichen Outfit durch die Gegend tanzte.
    Wir machten nach einer Viertelstunde den Film aus und schauten uns die «Die letzte Versuchung Christi» von Scorsese an. Der Film gefiel mir sehr viel besser als die beiden anderen: Jesus war hier ein echter Mensch. Okay, ein neurotischer Mensch. Aber ein Mensch. Und wer wäre nicht neurotisch geworden mit so einer dominanten Vaterfigur?
    Dass er in dem Film am Kreuz nochmal die Gelegenheit bekommt, Maria Magdalena zu heiraten und ein normaler Sterblicher zu werden, war aufwühlend. Da mochte man ihm doch glatt zurufen: «Mach es!»
    Mir war natürlich klar, dass die Maria, über die Jesus bei unserem Date geredet hatte, Maria Magdalena sein musste. Vom bibelfesten Michi wollte ich daher wissen, was sie nungenau war: Hure? Ehefrau? Geliebte? Groovy-Boogie-Tänzerin?
    Michi erklärte mir, dass es in der Bibel keinerlei Beweise dafür gebe, dass sie eine bekehrte Hure war oder Jesu Ehefrau, und auch keinerlei Indizien dafür, dass sie funky tanzen konnte.
    Allerdings gab es einen Hinweis darauf, dass die beiden sich geküsst hatten. Der stand zwar nicht in der Bibel, aber dafür in einem anderen alten Text aus dem zweiten Jahrhundert nach Christus, dem sogenannten Evangelium der Maria Magdalena.
    Wenn es stimmte, was in dieser Schrift stand, so dachte ich, war Jesus doch ein Mensch, der eine irdische Frau lieben

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