Jesus liebt mich
Ich beschloss, erst mal etwas weiter verunsichert auf den See zu starren.
«Manchmal …», hob Joshua auf einmal zu reden an, um gleich wieder aufzuhören.
«Manchmal …?»
«Manchmal frage ich mich, ob sich hinter dem Jüngsten Gericht nicht ein anderer göttlicher Plan verbirgt und ob vielleicht doch kein ewiges Bestrafen über die Sünder kommen wird.»
«Ein anderer Plan?», fragte ich nach.
«Ich weiß nicht welcher … aber Gottes Wege sind wunderbar.»
«Eher wunderlich …», nuschelte ich.
«Wie bitte?»
«Ähem … nichts, nichts.»
Wir starrten nun wieder gemeinsam verunsichert auf den See. Und dann – so als ob der Kuss alle Schleier von mir genommen hatte – sah ich auf einmal einen Ausweg aus dem ganzen Dilemma: «Warum wandelst du nicht erst mal ein paar Jahre auf der Welt?»
Joshua blickte mich erstaunt an: «Ich soll das Jüngste Gericht verschieben?»
«Genau, dann kannst du den Menschen zeigen, wie sienach der Bergpredigt leben können», erklärte ich total aufgeregt, «und ein paar mehr Seelen retten.»
Auch Joshua schien dieser Gedanke zu elektrisieren: «Das ist ein wunderbarer Gedanke.»
Und mich elektrisierte der Gedanke, dass ein Gedanke von mir ihn elektrisierte.
«Würdest du mich denn begleiten?», fragte er.
Er wollte mich mitnehmen? So als Jüngerin? Tief in mir spürte ich, dass ich mich nicht unbedingt zur Top-Jüngerin eignen würde.
«Ähem … ich muss dann doch nicht in Höhlen schlafen?», fragte ich.
«Nein», lachte er auf, «das musst du nicht.»
«Dann … gerne.»
Wir lächelten uns an. Sein Lächeln war so wunderbar. Am liebsten hätte ich wieder sein Gesicht in meine Hände genommen und ihm noch einen Kuss gegeben. Aber ich hielt mich gerade noch mit aller Macht zurück.
«Warum setzt du dich auf deine Hände?», fragte er irritiert.
«Nur so …», stammelte ich.
Wir schwiegen wieder etwas, und auf einmal sagte Joshua: «Ich würde gerne deine Hand in meine nehmen.»
«Dann … tu es doch», forderte ich ihn mit vor Aufregung pochendem Herzen auf.
«Du sitzt auf deinen Händen.»
«Oh … o ja …», stammelte ich und befreite meine Hände.
So saßen wir erneut händchenhaltend auf dem Steg. Ich war glücklich. Und er auch. Er schien durch meinen Vorschlag seine Mitte gefunden zu haben, denn in diesem Augenblick war er zu gleichen Teilen Messias und Joshua.
Nach einigen Minuten des wunderbaren gemeinsamen Dasitzens auf dem Steg wurde es wieder Zeit für einen meiner beliebten «Ich kann jeden noch so schönen Augenblick zerstören»-Auftritte.
«Wird Gott nicht etwas dagegen haben?», fragte ich und meinte sowohl mein Händchenhalten mit Joshua als auch dessen neuen Plan, noch einmal auf der Welt zu wandeln.
«Ich werde zu ihm beten und hoffen, dass er Verständnis haben wird», antwortete Joshua. Dabei klang er zuversichtlich und entschlossen. Dass er doch ein bisschen unsicher war, spürte ich nur daran, dass er den Händedruck löste.
«Es wäre freundlich von dir, wenn du mich nun für dieses Gebet alleine ließest», bat er.
«Klar, klar … selbstverständlich», antwortete ich, verließ den Steg, auch wenn es mir schwerfiel, mich von ihm zu trennen.
Ich ging auf dem Uferweg davon. Dabei malte ich mir aus, wie sich mein Leben nun ändern könnte: Marie aus Malente würde mit Jesus durch die Welt ziehen! Das klang verrückt. Aber auch wunderschön. Würden Joshua und ich uns auf dieser Reise noch einmal küssen? Allein die Vorstellung daran versetzte mich in helle Aufregung, mir wurde feurig heiß bei dem Gedanken … was aber auch an dem Dornbusch hätte liegen können, der vor mir auf einmal brannte.
«MARIE!» , sagte plötzlich eine Stimme. Sie war imponierend, beängstigend und wunderschön zugleich. Aber vor allen Dingen: SIE KAM AUS DEM VERDAMMTEN DORNBUSCH!
Ich suchte mit meinen Augen die Gegend nach Lautsprechern oder Ähnlichem ab.
«WIR MÜSSEN MITEINANDER REDEN.»
Es gab keine Lautsprecher. Es war wirklich der Dornbusch, der da sprach.
«Bist du der, von dem ich befürchte, dass du es bist …?», fragte ich den brennenden Dornbusch und redete somit das erste Mal in meinem Leben mit Pflanzen.
«JA, DAS BIN ICH.»
46
«Scotty an Brücke.»
«Was ist?», fragte Kirk.
«Ich kündige!»
«DU HÄLTST MEINEN SOHN VON SEINER
AUFGABE AB.»
Ich wusste nicht, was ich antworten sollte, wie ich zu Gott sprechen sollte. Instinktiv wollte ich mich demütig
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